Der große Unsinn

Wer liest, braucht keinen Kerner, kein Fernsehen und keine Ranglisten: „Das Große Lesen“ (Fr., 21.15 Uhr, ZDF)

Wer gerne liest, sollte heute fernsehen – mit diesem Sprüchlein bewarb das ZDF am Freitag noch in den Feuilletons von FAZ und Welt seine große Büchersendung und brachte damit das Problem auf den Punkt: Wer gerne liest, guckt wenig Fernsehen, die Zeit, die Zeit!, und wer gerne liest, guckt schon gar keine Sendungen über Bücher. Denn wer gerne liest, weiß nach leidvollen Erfahrungen, dass Bücher und Fernsehen nicht zusammengehen und bis auf das Literarische Quartett noch jede Büchersendung ein Reinfall war.

Nun hat sich das ZDF durchaus Mühe gegeben, „Das große Lesen“ anständig über die Bühne zu bringen. Mit Kerner war sein Top-Moderator am Start; ein Mann, der für alles gut ist, der jedes noch so interessante Thema fröhlich gleich- und platt zu machen versteht, und der sich nicht zu schade ist, anwesende Autoren wie Ulla Hahn und Frank Schätzing zu fragen: „Wie fühlt man sich auf Platz 27? Ist Platz 50 eine Enttäuschung für sie?“

Dazu saßen mit ihm vier nicht ganz peinliche Fernsehpromis auf dem Sofa, um über das Bücherlesen im Allgemeinen und die Platzierungen im Besonderen zu plaudern: Hellmuth Karasek, Alice Schwarzer, Susanne Fröhlich und Ottfried Fischer. Und schließlich hatte man im Vorfeld vom Kanzler („Der Zauberberg“) bis zu der dauernd an ihrem Ellenbogen schnuppernden Sabrina Setlur („Das Parfüm“) haufenweise andere Promis nach ihren Top-Büchern befragt, um deren Buchvorstellungen jeweils in kleinen Filmchen einspielen zu können.

Eine Trash-Show fürs große Publikum, wie sie etwa der MDR mit seiner Deutschen-Bücherpreis-Gala produzierte, konnte so vermieden werden, aber um den Preis der Langeweile. Die spritzigsten waren die Gäste nicht, dem grummelig-spaßigen Ottfried Fischer stand sein Unwohlsein gar ins Gesicht geschrieben. Fünfzig Bücher waren schlicht zu viel, und wer will wirklich wissen, ob nun Ken Follett, die Bibel oder der „Herr der Ringe“ das Buch der Bücher der Deutschen ist?

Immerhin gab es Erkenntnisse: Männer kennen Jane Austens Roman „Stolz und Vorurteil“ überhaupt nicht, dafür umso besser Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“. Oder dass die Deutschen gerne Bücher lesen, die in fremden, mittelalterlichen, fantastischen und sonst was Welten spielen, Bücher von Diana Gabaldon, Noah Gordon, Dan Brown und wie sie alle heißen. Die Gegenwart ist schließlich hartzig genug. Die wichtigste Erkenntnis nach zweieinhalb Stunden zäher Unterhaltungskost aber war: Wer gerne liest, hat seine eigenen Lieblingsbücher und muss die nicht abgleichen mit 250.000 anderen Deutschen. GERRIT BARTELS