Sieg trotz Leseschwäche

Schalke schlägt Bochum mit 3:2 und bereitet seinem neuen Trainer Ralf Rangnick einen einigermaßen erfolgreichen Einstand. Doch auch der VfL leitet aus dem Spiel einen Aufwärtstrend ab

AUF SCHALKE HOLGER PAULER

Mit „Glück auf“ begrüßte Schalkes neuer Trainer Ralf Rangnick vor dem Spiel die Zuschauer betont volkstümlich. Ganz in der Tradition des Berliners John F. Kennedy. Der Tonfall der Ansprache war allerdings eher wackelig und dünn. Für den Posten des Bergwerkdirektors hätte es wohl nicht gereicht. Immerhin: Der Wille war da. Und die Mannschaft belohnte das Engagement des Trainers. 3:2 hieß es am Ende im Straßenbahnderby gegen den VfL Bochum.

Nach vielen gescheiterten Vorgängern möchte Rangnick auf Schalke endlich der Richtige sein. Erfahrener als Frank Neubarth, umgänglicher und veränderungswilliger als Jupp Heynckes. Die Reaktionen der Zuschauer blieben für eine Premierenfeier dennoch zunächst recht verhalten. Nach vielen Enttäuschungen haben momentan die Skeptiker die Deutungshoheit.

Zehn Minuten dauerte es, bis Rangnick das erste Bundesligator seines Teams bejubeln durfte. Der „überragende“ (Rangnick) Gerald Asamoah nutze die erste Chance des Spiels zur Schalker Führung und gab mit dem Tor die Richtung für die erste Halbzeit vor. Gegen im Uefa-Cup-Schock verharrende Bochumer reichten drei weitere Angriffe, um die 3:0-Halbzeitführung zu erzielen. „Schalke war in Halbzeit eins die drei Tore besser“, sagte VfL-Trainer Peter Neururer nach dem Spiel. Bochums Torhüter Rein van Duijnhoven ging noch weiter: „Normalerweise kriegst du dann fünf oder sechs.“

War aber nicht so. „In den ersten 20 Minuten haben wir sehr gut gespielt, doch die Probleme, die wir in der zweiten Halbzeit hatten, fingen schon Ende der ersten Hälfte an“, analysierte Ralf Rangnick. Vor allem die Probleme in der Defensive schien er damit zu meinen. „Wir haben jetzt schon zwölf Gegentore. In den kommenden Wochen liegt noch viel Arbeit im taktischen Bereich vor uns“, stellte Rangnick, die Arbeit seines Vorgängers Jupp Heynckes im Hinterkopf, fest. Heynckes hatte es trotz der Stareinkäufe Krstajic und Bordon nicht geschafft, die Schalker Defensive zu stabilisieren.

Die Probleme hätten sich in der zweiten Halbzeit beinahe negativ auf den Trainereinstand ausgewirkt. Nach dem Wechsel kamen die Schalker mit der Systemumstellung im Bochumer Spiel nicht zurecht. Neururer brachte den starken Misimovic für Wosz-Ersatz Christoph Preuß und stellte von 4-3-3 auf 4-4-2 um. Prompt gelang Misimovic der Anschluss. „Das lag am System“, und nicht am Spieler, wie Neururer später hervorhob. Rangnick wollte jedenfalls sofort reagieren und gab Levan Kobiashvili einen Zettel mit. Dort stand, dass das Schalker System seinerseits jetzt auf 4-5-1 umgestellt werden soll. „Weil es bei so einer Lautstärke in der Arena schwer ist, diese Anweisung den Spielern zu sagen“, so Rangnick.

Mit der Lesestärke war es wohl auch nicht so weit her. Die Bochumer erzielten jedenfalls das 2:3 und nur Frank Rost verhinderte für seine überforderten Kollegen mehrmals den Ausgleich. Erst die rote Karte gegen den Schalker Lincoln wegen Spielverzögerung weckte Publikum und Spieler aus ihrer Lethargie. Und kippte das nach der Halbzeit gekippte Spiel zurück. „Für unsere Mannschaft war es gar nicht so schlecht, denn in Unterzahl war sie sich bewusst, was zu tun war“, sagte Ralf Rangnick.

Peter Neururer hätte sich für diese Situation gerne eine Auszeit gewünscht. „Dann wäre das 3:3 noch möglich gewesen.“ So aber ging der Bochumer Angriffsdruck verloren und am Ende standen sie nach der härtesten Woche der Vereinsgeschichte, mit dem Last-minute-Aus im Uefa-Cup, mal wieder ohne Zählbares da. Dennoch wirkten Trainer und Spieler zufrieden. Die zweite Halbzeit, vielleicht die beste der Saison, war nach den Nackenschlägen in Bundesliga, Uefa-Cup und DFB-Pokal eine Art Wiedergeburt. Statt unterzugehen stemmte sich das Team gegen die Niederlage. „Die zweite Halbzeit muss uns Auftrieb geben, denn da haben wir eine tolle Moral bewiesen“, sagte Philip Bönig. Und auch Torhüter van Duijnhoven sah Positives: „So eine knappe Niederlage ist natürlich besser, als wenn wir hier 0:5 verlieren.“

Nach den negativen Entwicklungen der vergangenen Wochen waren also beide Seiten versöhnt. Rangnick bot seinem Kollegen wegen der durch die vielen Länderspielabstellungen ausgedünnten Kader sogar an, dass die Mannschaften nächste Woche ja „gemeinsam trainieren könnten“. „Können wir machen“, sagte Neururer, meinte aber dem Gesichtsausdruck nach wohl doch anderes. Aber auch das wird Rangnick noch verstehen.