Nach dem Armbruch: Pflege im Hotel

In einem Bielefelder Modellprojekt zur Gesundheitsvorsorge werden Menschen zur Nachsorge in einem normalen Hotel gepflegt. Sie seien „Gäste, keine PatientInnen“ und essen mit anderen im Hotelrestaurant

Hausärzte stellen fest, wann der Hotelaufenthalt ein Ende haben muss

VON ELMAR KOK

Eine Lungenentzündung bei einem alleinstehenden, pflegebedürftigen Menschen ließ bisher immer nur eine Möglichkeit zu: Einweisung ins Krankenhaus, Betreuung und Nachsorge in der Klinik, bis der Patient die Einrichtung wieder verlassen kann. In Bielefeld gibt es seit dem Sommer auch eine andere Möglichkeit. Dort dürfen die Erkrankten als Gäste in ein Hotel.

Bezahlt wird der Hotelaufenthalt im Bielefelder „Sennegarten“ von den Betriebskrankenkassen (BKK), die sich in der Arbeitsgemeinschaft der Betriebskrankenkassen Ostwestfalen-Lippe zusammengeschlossen haben. Motivation der BKKs: Sie sparen Geld. Denn pro Tag kostet der Hotelaufenthalt ungefähr ein Drittel des Krankenhaus-Tagessatzes.

Im Hotel arbeitet Krankenpfleger und Hotelchef Friedrich Klausing mit sieben Pflegekräften, die rund um die Uhr anwesend sind. Die ärztliche Betreuung der „Gäste“, wie Klausing sie nennt, wird von niedergelassenen Hausärzten durchgeführt, die die tägliche Visite übernehmen. Dafür haben sich die Bielefelder Mediziner in der „Hausärzte-Initiative“ zusammengeschlossen. Weiterer Teilnehmer des Modells ist das Ärztenetz „Medi-OWL“, dem rund 250 Ärzte und Physiotherapeuten angehören. Für Wolfgang Diembeck, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Betriebskrankenkasse und Sprecher der BBK Arbeitsgemeinschaft, zieht für das Bielefelder Pflegehotel ein positives Zwischenfazit. Nach groben Schätzungen koste die Unterbringung im Pflegehotel rund 190 Euro pro Tag. Überrascht habe ihn die gute Zusammenarbeit der Ärzte mit den BKKs, „wir haben alte Feindbilder egalisieren können“, sagt Diembeck.

Vorteilhaft sei die Einrichtung auch für ältere Paare, bei denen ein Lebenspartner den anderen pflege, sagt Diembeck. Denn werde der Pflegende krank, müssten oft beide ins Krankenhaus. So könne den Paaren die Entscheidung, ob Krankenhaus oder Hotel überlassen werden. Für den Fall, dass es den „Gästen“ im Hotel zu gut gefällt, gebe es die Visite der Hausärzte. „Die stellen fest, wann der Hotelaufenthalt seinen Endpunkt erreicht hat“, sagt Diembeck.

Denn das Hotel hält seine Türen bewusst für alle offen. „Das Hotel ist auch für Gesunde geöffnet“, sagt Klausing, der früher in den Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel Menschen gepflegt hat. „Die Leute finden das gut, wenn Gesunde und Kranke zusammen kommen“, sagt Klausing. Daher hat das Hotel noch ein öffentliches Restaurant, in dem alle zusammen essen. „Denn Essen ist etwas Schönes“, sagt Klausing. Auch für Menschen, die ein Recht auf Kurzzeitpflege haben, die von der Pflegeversicherung abgedeckt wird, steht Klausings Hotel offen. Auch Angehörige sollen sich im „Sennegarten“ wohl fühlen und können mit ihren Verwandten die Zeit bis zur Genesung in Bielefeld verbringen.

Jetzt hofft Klausing, dass sich auch gesetzliche Krankenkassen für das Projekt interessieren. Denn sein „Sennegarten“ ist noch lange nicht ausgelastet. Vom Landesverband der Betriebskrankenkassen gibt es für weitere Projekte dieser Art zumindest positive Signale. Karin Hendrysiak, Sprecherin der Betriebskrankenkassen in Nordrhein-Westfalen, sagt „es ist positiv, dass die Versicherten bei diesem Modell im Vordergrund stehen“. Jetzt müsse man sehen, in welchen Regionen ähnliche Projekte möglich seien.