Kein Ende der Abwanderung

Die Bremer Uni stellt eine Studie zu den Investitionen deutscher Firmen in Osteuropa vor

Bremen taz ■ Wer als Unternehmer seine Produktion heute in einen der neuen EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa verlagert, der wird davon nicht lange profitieren können. Um dauerhaft Lohnkosten zu sparen, werden die Firmen noch weiter nach Osten abwandern müssen. Das ist das Ergebnisse einer Studie, die das an der Uni Bremen angesiedelte Institut für Arbeit und Wirtschaft (IAW) gestern auf einer Konferenz des DGB vorgestellt hat.

„Wir haben es heute mit einer Verlagerung der Verlagerung zu tun“, so Jochen Tholen vom IAW. Zwar hätten die osteuropäischen Staaten heute noch Lohnstückkosten, die nur gut die Hälfte dessen betragen, was in Deutschland zu bezahlen ist. Doch die Löhne steigen auch in Prag oder Budapest: Wer in Tschechien vor zehn Jahren umgerechnet nur 150 Euro verdient habe, der komme heute schon auf 600 Euro. Was folge, so Tholen, sei eine weitere Abwanderungswelle: Die Unternehmen zögen nach China oder Kasachstan um. „Das führt zu einer Abwärtsspirale, die kein Ende findet.“

Während deutsche Firmen in den 90er Jahren nur die arbeitsintensive Produktion in den Osten verlagert haben, investieren heute auch jene im Ausland, die hochqualifiziertes Personal brauchen. „Doch Polen ist da nur eine Zwischenstation“, so Kryzstof Getka von der Friedrich-Ebert-Stiftung aus Warschau.

„Blutet die industrielle Basis Deutschlands aus – oder gibt es Gegenstrategien?“ war denn auch eine der Fragen, die sich den versammelten Gewerkschaftern stellte. „Wir dürfen uns nicht von den Arbeitgebern erpressen lassen“, findet Bert Thierron vom Vorstand der IG Metall. Gleichzeitig dürfe man aber auch nicht nur eine defensive Rolle einnehmen, sagt Manfred Warda von der IG Bergbau-Chemie-Energie. Zwar werde es auch langfristig keine europäischen Tarif-Verhandlungen geben. Doch sei schon viel gewonnen, wenn es auf nationaler Ebene gelinge, Lohnkonkurrenz zu bekämpfen und Branchentarifverträge abzuschließen.

Um dies zu erreichen, müssten die Arbeitnehmervertreter in Ost und West stärker miteinander kooperieren, so die einhellige Meinung der Gewerkschafter in Bremen. Zumal sich gerade das deutsche Modell betrieblicher Mitbestimmung laut Tholen als „echter Exportschlager“ erwiesen habe. Hier allerdings war die Meinung aus der Praxis eine andere: Ob man künftig auch in Osteuropa Betriebsräte vorfinden wird, wie wir sie kennen, so die Gewerkschafter, sei noch keineswegs gesichert. mnz