Der Lautschwimmer

Thomas Rupprath ist ein bisschen vom Erfolgsweg abgekommen. Nun hofft er, mit neuem Trainer zurück in die Spur zu finden. Bei der Kurzbahn-WM aber wäre er noch mit Rang drei zufrieden

AUS ROSTOCK RONNY BLASCHKE

Die Wandlung eines Sportlers erkennt man oft an seinen Worten. Thomas Rupprath liefert ein Beispiel dafür. Er ist jetzt 27, seit Jahren ist er der beste deutsche Schwimmer, doch der Erfolg ist seine einzige Konstante. Der Name Rupprath hatte lange in einer Schublade gesteckt. Am Anfang war er der Schönschwimmer. Er sammelte Titel und konnte sie kaum noch zählen. Thomas Rupprath profilierte sich über seine Siegessucht, über seine freundliche Art – und über seinen Körper. Reportagen erschienen über ihn, mit großen Fotos und kleinen Texten. Sponsoren meldeten sich spät, aber rechtzeitig, der Stress wurde lukrativ. Nur zu hören war wenig von ihm. Das Schlagzeilen-Plaudern war nicht seine Art. Der Schönschwimmer war auch ein Leiseschwimmer.

Thomas Rupprath hätte es nicht für möglich gehalten, dieses Klischee mit wenigen Sätzen abschütteln zu können. Gemeinsam mit Hannah Stockbauer kritisierte er nach Olympia die festgefahrenen Strukturen des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) und die Arbeitsweise von Cheftrainer Ralf Beckmann. „Es ist legitim, in einer bestimmten Position seine Meinung öffentlich zu äußern“, sagt Thomas Rupprath. Neben Franziska van Almsick und Hannah Stockbauer ist er der dritte Star einer problembehafteten Sportart. „Ich muss niemanden fragen, ob ich etwas sagen darf. Das wäre doch albern. Das DSV-Präsidium hat überreagiert. Die Abmahnung für uns war völlig überflüssig!“ Thomas Rupprath, angelangt im Spätsommer seiner Karriere, hat das Ausrufezeichen für sich entdeckt. Den Leiseschwimmer gibt es nicht mehr.

Ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen. Nach den am Donnerstag beginnenden Kurzbahn-Weltmeisterschaften in Indianapolis – Rupprath startet über 50, 100 Meter Rücken und 100 Meter Lagen – wird der gebürtige Neusser in Hannover unter Frank Lamottke trainieren. Rupprath ist auf der Suche nach einem neuen Trend. Denn seit seinem Europameistertitel 2002 über 100 Meter Schmetterling in Berlin stagniert seine Leistung. In Athen reichte es auf seiner Paradestrecke nur zu Platz vier, Trost fand er in der Silbermedaille mit der Lagenstaffel. Worauf der Abschwung basiert, nun ja, „dafür bin ich nur der Schwimmer“, sagt Rupprath. Ist sein ehemaliger Trainer Henning Lambertz schuld an der Schaffenskrise? „Ich habe seine Pläne immer befolgt. Aber den Schuh müssen wir uns wohl beide anziehen.“

Thomas Rupprath spricht nicht gern über die letzten Wochen. Bayer Wuppertal, wo er fünf Jahre trainiert hatte, wollte ihn nicht mehr, das sagt er zumindest. „Die hatten nach Olympia nicht mal ein Glückwunsch-Telegramm für mich übrig. Da sieht man, was ich dem Verein bedeutet habe.“ Der Kontakt nach Wuppertal ist abgerissen. Es war kein höflicher Abschied. Von beiden Seiten. Der Graben der Streitigkeiten muss tief sein. Und unüberwindbar.

Das Leben wird sich nun hauptsächlich in Rostock abspielen, wo er dem SC Empor beigetreten ist. Thomas Rupprath lebt mit Frau und Tochter vor den Toren der Stadt, in einem kuscheligen Vorort an der Ostsee. Vier Jahre pendelte er durch Deutschland, über 60.000 Kilometer im Jahr. Der Reisende will nun sesshaft werden, dosierter trainieren und alte Fehler vermeiden. Im letzten Jahr hatte er sich zu wenig Pausen gegönnt, der Tatendrang kostete ihn um ein Haar die WM in Barcelona. „Die Erfahrungen haben mich besänftigt, man muss nicht alles überkandideln“, sagt Rupprath. Der atemlose Zappelphilipp von früher hat seinen Eifer in den Griff bekommen. Er nimmt nicht mehr jeden Sponsorentermin wahr, besucht nicht mehr jede Gala und tingelt nicht mehr von Schwimmfest zu Schwimmfest. Er hat es gelernt, auch abwesend präsent zu sein.

Was bleibt, ist der große Traum vom Olympiagold. Die Zeit bis 2008 kann sich zur Ewigkeit aufstauen, aber Thomas Rupprath hat keine Angst, dass die Motivation schwindet. Er wird sich um den Nachwuchs kümmern, bei Trainingslagern vorbeischauen, Fragen stellen, Ratschläge geben, seiner Rolle als Vorbild nachkommen. Fragt man ihn nach seinen Zielen, so spricht er nicht von Rekorden, nicht von Vergleichen mit der Konkurrenz, mit dem Amerikaner Michael Phelps oder dem Australier Ian Thorpe, den Übermächten der Branche. Er setzt sich keine Messlatten mehr, die er nicht überwinden kann. Man würde es ihm wieder um die Ohren hauen, das weiß er. Bei der Kurzbahn-WM möchte er unter die ersten drei schwimmen, er muss nicht gewinnen, um glücklich zu sein. „Ich bin eben reifer geworden“, sagt Thomas Rupprath. Sehen kann man das nicht. Aber hören.