Warten auf den Notfall ist auch Arbeitszeit

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt Rettungssanitätern des DRK Recht. Doch die EU will die Regeln ändern

Maximal 15 Minuten soll es in Deutschland dauern, bis im Notfall ein Krankenwagen vorfährt. So schreiben es Landesgesetze vor. In Städten sind die Anforderungen sogar noch strenger. Da vor allem auf dem Land allerdings oft nichts passiert, sitzen die Rettungssanitäter häufig nur auf der Wache und warten – Bereitschaftsdienst nennt sich das.

Dass der Bereitschaftsdienst grundsätzlich als Arbeitszeit gilt, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall spanischer Ärzte schon im Jahr 2000 entschieden. Das Warten muss zwar nicht voll bezahlt werden, aber es ist bei der Einhaltung der EU-Höchstarbeitszeit von 48 Stunden voll zu berücksichtigen. 2003 stellte der EuGH im Fall des Kieler Arztes Norbert Jaeger fest, dass auch Deutschland sein Arbeitsrecht an diese Vorgabe anpassen muss.

Offen war noch, ob die EuGH-Rechtsprechung auch für Rettungssanitäter gilt. Geklagt hatten sieben Helfer, die beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Waldshut an der Schweizer Grenze angestellt waren. Das Rote Kreuz hatte sich bislang auf Ausnahmeklauseln für Katastrophen und das Verkehrsgewerbe berufen.

Doch die EU-Richter fanden, dass beides auf die routinemäßig anfallende Notfallversorgung von Kranken nicht passt. Außerdem erklärte der EuGH die schlecht umgesetzte EU-Arbeitszeit-Richtlinie für unmittelbar anwendbar.

Allerdings gilt das aber nur für öffentliche Arbeitgeber, nicht für das private Rote Kreuz. Hier forderte der EuGH nur das jetzt zuständige Arbeitsgericht Lörrach auf, das gesamte deutsche Recht so auszulegen, dass den Zielen der Richtlinie möglichst Rechnung getragen wird.

De facto ist der Streit allerdings längst entschärft. Der Bundestag hat 2003 das deutsche Arbeitsrecht an die EU-Vorgaben angepasst. Demnach darf die Wochenarbeitszeit im Durchschnitt 48 Stunden – inklusive Bereitschaftsdienste – nicht überschreiten. Dies gilt nach einer Übergangsfrist, mit der die Kliniken geschont werden sollen, spätestens ab 31. 12. 2005. Das DRK hat inzwischen fast alle Tarifverträge für seine Rettungsassistenten angepasst und die Wochenarbeitszeit von bis zu 54 Stunden auf maximal 48 Stunden gesenkt.

Zu Neueinstellungen ist es dabei nach Angaben eines Rot-Kreuz-Sprechers allerdings nicht gekommen. Man habe vor allem den Mix aus Hauptamtlichen, Ehrenamtlichen und Zivildienstleistenden verändert. Nach wie vor arbeiten beim Roten Kreuz bundesweit rund 17.000 Rettungssanitäter. Es ist damit einer der größten Anbieter in diesem Bereich.

Für Verwirrung und Verärgerung sorgte zwischenzeitlich die EU-Kommission. Sie will nämlich die arbeitnehmerfreundliche EuGH-Rechtsprechung aushebeln und die EU-Arbeitszeit-Richtlinie ändern. Demnach sollen Bereitschaftsdienste nur dann als Arbeitszeit gelten, wenn auch konkret gearbeitet wird.

Ob die EU-Minister dieses Manöver mitmachen, ist aber noch völlig offen. Strengere nationale Regelungen könnten aber auch nach den Kommissionsplänen bestehen bleiben. Die Bundesregierung hat auch bereits erklärt, dass sie an der neuen Rechtslage – Bereitschaftsdienste sind generell Arbeitszeit – festhalten will. Und das findet sogar das Rote Kreuz gut. „Man muss sich auch mal auf etwas einrichten können“, erklärte ein Sprecher.

CHRISTIAN RATH