NIEDERSACHSENS KMK-AUSSTIEG SOLLTE LÄNGST FÄLLIGE DEBATTE AUSLÖSEN
: Heillos vermischte Kompetenzen

Der Niedersachse Christian Wulff weiß, wie man von sich reden macht. Nicht nur dass der 45-jährige Youngster unter den CDU-Ministerpräsidenten mittlerweile gar als Kanzlerkandidat gehandelt wird. Nein, er hat sogar getan, woran seine 15 Kollegen in den Staatskanzleien zwischen Kiel und München nicht einmal zu denken wagen: Seine Regierung hat gestern beschlossen, den Vertrag über die Kultusministerkonferenz zu kündigen.

Die Argumente, mit denen Wulff seinen Schritt vor zweieinhalb Wochen ausgerechnet in der Bild am Sonntag angekündigt hatte, sind reichlich dürftig. Das größte Problem der Konferenz sind weder ihr Festhalten an der Rechtschreibreform noch die angeblich zu üppige Besoldung ihrer paar Beamten. Auch die Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit oder andere strukturelle Neuerungen, die Wulff vorschlägt, werden das Gremium nicht wirklich effektiver machen.

Nein, verdienstvoll ist Wulffs Vorstoß aus einem anderen Grund. Die Initiative könnte endlich die längst fällige Debatte über eine völlige Abschaffung der Kultusministerkonferenz in Gang bringen – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Föderalismusreform, die auf eine klarere Trennung von Bundes- und Länderkompetenzen zielt. Wenn die Länder so eifersüchtig auf ihrer Hoheit in Bildungsfragen beharren, dann stellt sich die Frage, warum die 16 Landesminister diese bunte Vielfalt in endlosen Verhandlungsrunden wieder über einen Kamm scheren müssen. Die Bildungsstandards, die bundesweite Qualitätsmaßstäbe setzen sollen, könnte auch der Zentralstaat festlegen. Dazu braucht es nicht die KMK, dieses merkwürdige Zwitterwesen, das wie ein kleiner Bundesrat die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern heillos vermischt.

Die anderen Kultusminister von CDU und CSU haben die Gefahr erkannt, die ihnen durch die Initiative aus Niedersachsen droht – und den Vorstoß entsprechend scharf zurückgewiesen. Aus Berlin lässt sich eben keiner der Landespolitiker gerne hineinreden. Es sei denn, er ist selbst auf dem Absprung in die Hauptstadt. RALPH BOLLMANN