Rumsfeld streicht Kriegsgrund

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gibt zu, dass es „keine harten Beweise“ für Kontakte zwischen al-Qaida und Saddam Hussein gibt – wie er und der Vizepräsident stets behauptet hatten

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat den Rückzug angetreten. Entgegen früheren Aussagen glaubt er nun nicht mehr an enge Verbindungen zwischen der Terrororganisation al-Qaida und der gestürzten irakischen Regierung. Ein derartiger „Link“ war von der US-Regierung neben dem Besitz von ABC-Waffen als Grund für den Irakkrieg genannt worden.

Rumsfeld sagte am Montag vor dem „Council on Foreign Relations“ in New York, ihm hätten keine harten Beweise für eine Verbindung zwischen den beiden vorgelegen. Dennoch verteidigte der Pentagonchef weiterhin die Invasion. Es sei wichtig gewesen zu verhindern, dass Saddam Hussein an Massenvernichtungswaffen gelange – ebenfalls eine Abkehr früherer Kriegsargumente, schließlich hatte die Bush-Regierung vor dem Einmarsch im Zweistromland erklärt, Bagdad verfüge bereits über derartige Waffen.

Im September 2002 hatte Rumsfeld zu Protokoll gegeben: „Uns liegen sehr verlässliche Berichte über hochrangige Kontakte vor, die ein Jahrzehnt zurückreichen sowie über ein mögliches Training mit chemischen und biologischen Stoffen. Und wenn ich Kontakte sage, meine ich zwischen dem Irak und al-Qaida.“ Im Oktober 2004 liest sich das dann so: „Ich habe jüngst einen Geheimdienstbericht gelesen über eine Person mit Verbindungen zu al-Qaida, die im Irak ein- und ausgegangen ist. Das ist eine unglaublich gequälte Darstellung und nicht gerade ein Beispiel für eine enge Beziehung.“ Rumsfeld gestand ein, dass es innerhalb der Geheimdienste Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. Seine früheren Behauptungen beruhten auf Einschätzungen, die der frühere CIA-Chef George Tenet zur Verfügung gestellt habe. Darin sei von Kontakten von Al-Qaida-Mitgliedern zu hochrangigen irakischen Regierungsbeamten die Rede gewesen.

Im Übrigen sei die Frage nach der Zusammenarbeit verschiedener Terrororganisationen ohnehin immer schwer zu beantworten, denn „oftmals kooperieren sie nicht im Rahmen einer Befehlskette, sondern in loser Verbindung“. Selbst der jordanische Terrorführer Abu Mussab al-Sarkawi, dessen Gruppe für eine Reihe von Entführungen und Ermordungen von Geiseln verantwortlich gemacht wird, habe vermutlich keinerlei formelle Verbindung zu Ussama Bin Laden, sagte Rumsfeld.

Die „9/11“-Untersuchungskommission des Kongresses kam im Sommer zu dem Ergebnis, dass es keine Beweise für eine Zusammenarbeit zwischen Ussama Bin Laden und dem Irak bei den Anschlägen am 11. September 2001 gegeben habe. Kontakte vom Beginn der 90er-Jahre verliefen später im Sande.

Mit Rumsfeld gesteht ein weiteres Kabinettsmitglied ein, dass bisherige Äußerungen nicht der Wahrheit entsprachen. Zuvor hatte bereits Außenminister Colin Powell Fehleinschätzungen eingeräumt. Die neokonservativen Wortführer des Irakkrieges wie Vize-Pentagonchef Paul Wolfowitz sind seit Monaten abgetaucht. Selbst der frühere US-Zivilverwalter in Bagdad, Paul Bremer, wagt sich plötzlich mit Kritik an seinem eigenen Dienstherren vor. Es seien „niemals“ genügend US-Soldaten im Irak gewesen, um das Land zu kontrollieren, sagte er am Montag.

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