Münchner Neonazis vor Gericht

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen beginnt heute der Prozess gegen fünf Mitglieder der „Kameradschaft Süd“. Die Gruppe plante ein Attentat auf ein jüdisches Zentrum. Laut Generalbundesanwalt ist sie eine terroristische Vereinigung

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Der Vorwurf ist massiv: Nicht weniger als die „Errichtung eines diktatorischen Systems nationalsozialistischer Prägung“ hätten jene fünf Angeklagten im Sinn gehabt, die heute vor dem Obersten Landgericht in München stehen. Die drei Männer und zwei Frauen zwischen 18 und 37 Jahren sollen zur rechtsextremen „Kameradschaft Süd“ des bekannten Münchner Neonazis Martin Wiese gehört haben.

Im September 2003 wurden bei ihnen Waffen und Sprengstoff gefunden, darunter 1,7 Kilo zündfähiges TNT. Im Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass Wiese und seine Gefolgschaft ein Bombenattentat auf die Grundsteinlegung des neuen jüdischen Gemeindezentrums in München am 9. November 2003 geplant hatten. Dazu erwartet wurden unter anderen Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden.

Angesichts des Ausmaßes von Plänen und Organisation übernahm die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen. Sie erhebt nun Anklage wegen der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“. Von heute an stehen zunächst fünf Mitglieder des engeren Führungszirkels der „Kameradschaft Süd“ vor Gericht. Sie seien eingeweiht gewesen oder sollen – im Fall der 19-jährigen Ramona Sch. und des 37-jährigen Andreas Joachim aus Brandenburg – Waffen und Sprengstoff beschafft haben.

Monika St. (18) soll an ihrer Arbeitsstelle bei der Postbank gezielt Daten von politischen Gegnern und potenziellen Anschlagsopfern gesammelt haben. In einer von der Polizei abgehörten Diskussion soll sie angeboten haben, sich am Münchner Marienplatz mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu sprengen.

Ein weiteres Attentatsziel spähte anscheinend der 18-jährige Thomas Sch. aus, der in der Nachbarschaft des bayerischen SPD-Vorsitzenden Franz Maget wohnt und dessen Tagesablauf beobachtet haben soll. Jessica F. (18), die fünfte Angeklagte, gilt als Stellvertreterin von Martin Wiese und hat laut Generalbundesanwaltschaft paramilitärische Übungen geleitet, bei mit scharfen Waffen trainiert wurde.

Fraglich bleibt, wie weit die „Kameradschaft Süd“, die insbesondere Kontakte zu Neonazis in Franken und im Osten Deutschlands pflegte, tatsächlich in der Lage war, die geplanten Anschläge durchzuführen. Offen ist zudem die Frage, woher das Geld für Waffen und Sprengstoff stammte.

Die Gefährlichkeit der Gruppe schätzt die Justiz in jedem Falle sehr hoch ein: Die Gerichtsverhandlung findet unter so strengen Sicherheitsvorkehrungen statt, wie sie laut einer Justizsprecherin zuletzt bei Verfahren „aus der Zeit der RAF“ angewandt wurden. Dabei wird zunächst nur der zweiten Riege der Rechtsextremen der Prozess gemacht. Der Hauptangeklagte Martin Wiese und weitere Angehörige des von den Neonazis als „Schutzgruppe“ betitelten harten Kerns stehen voraussichtlich erst ab Januar 2005 vor Gericht.