Blick nach China

Indiens Wirtschaft wächst zwar um acht Prozent, ist aber vom politischen wie meteorologischen Klima abhängig

DELHI taz ■ Die indische Wirtschaft ist im vorigen Jahr insgesamt um über 8 Prozent gewachsen. Auch die diesjährigen Zahlen sind viel versprechend. Im ersten Quartal ist das Volkseinkommen um 7,4 Prozent gestiegen. Und die neue Regierung unter Premier Singh hofft, diese Rate noch zu verbessern. Sie schielt dabei auf China, das mit jährlichen Zunahmen von über 9 Prozent auf dem besten Weg ist, eine wirtschaftliche Großmacht zu werden.

Der Grund für den Optimismus liegt im großen Anteil moderner Dienstleistungen, die über 50 Prozent zum Sozialprodukt beisteuern, während die Landwirtschaft inzwischen auf einen Anteil unter 25 Prozent gesunken ist. Weniger als die Hälfte der Anbauflächen werden künstlich bewässert, und dies macht den Sektor zum Spielball des Monsuns und immer wieder zum Opfer von Dürre oder Flutkatastrophen.

Und das Schicksal der Landwirtschaft ist gesamtwirtschaftlich relevant. Immer noch hängen zwei Drittel der Milliarden-Bevölkerung von einem Sektor ab, der immer weniger hergibt. In einem schlechten Erntejahr leiden inzwischen über 200 Millionen Menschen Hunger. So eine Zahl lässt sich in einer Demokratie nicht unter den Teppich wischen. Eine Regierung, die sich nur um die modernen Sektoren kümmert, wird dafür an der Wahlurne bestraft.

Dies geschah im Sommer, als die hindunationalistische BJP-Koalition bei den Wahlen in die Opposition verbannt wurde. Ihre Nachfolger verpflichteten sich darauf zu einem Reformprogramm „mit menschlichem Gesicht“. Dies bedeutet wiederum eine Stärkung des Staats, obwohl dieser bis heute seiner Rolle des sozialen und wirtschaftlichen Ausgleichs nicht gerecht geworden ist. Die aufgeblähte Bürokratie schluckt die meisten Ressourcen, und die Armutsprogramme sind so schlecht ausgerichtet, dass nur reiche Bauern Subventionen bekommen. BY