Tanz auf den Leerstellen

„Amadeus“: Der Choreograph Jörg Mannes zeigt Mozart im Stadttheater Bremerhaven als Außenseiter seiner Zeit

Mozart? Für den gebürtigen Wiener war es eine „Liebe auf den zweiten Blick“. Jetzt hat Bremerhavens junger Ballettchef Jörg Mannes dieser Liebe einen ganzen Abend gewidmet. „Amadeus“ heißt das zweistündige Ballett, das zwar im Titel auf den Film von Milos Forman anspielt, aber nicht auf spektakuläres Entertainment zielt, sondern den Versuch einer Innenansicht des Künstlers unternimmt.

Im Großen Haus des Stadttheaters beherrscht ein Mozart-Porträt die Bühne. Es ist eine um die Mittelachse drehbare Wand, in quadratische Felder geteilt. Eins ist unbemalt – es bleibt ein weißer Fleck.

Um diese Leerstelle auf dem Mozart-Bild geht es Jörg Mannes. Und diese Leerstelle gibt es auch in der Musik: Kurz vor Schluss bricht nach den ersten Takten des „Lacrimosa“ aus Mozarts Requiem alles sekundenlang ab, die Stille wird zu einem der stärksten Momente des Abends.

So wie die Collage aus Mozart-Werken den Abend über vom hellen, verspielten ins düstere gleitet, so läßt Mannes seinen Mozart-Tänzer Mathias Brühlmann in immer schwerere und langsamere Bewegungen übergehen, bis er ihn irgendwann einfach stehen und die Szenerie beobachten läßt.

Mannes reißt die Stationen von Mozarts Leben knapp an: Da ist der Kampf mit dem übermächtigen Vater, da sind die Frauen, die Komponistenfreunde, sowie der Konkurrent Salieri, der hier als aufgespreizter Geck die Szene betritt.

Erzählt wird vom Schmerz des Außenseiters Mozart, der in seiner Zeit nicht heimisch wird. Dafür findet Mannes Bilder, die in ihrer Leichtigkeit, in ihrer Farbigkeit und Abstraktion alte und neue Formen des Tanzes zu ergreifender Schönheit verdichten. Dass Mannes Bremerhaven am Ende der Spielzeit verlassen wird, nimmt der Stadt ein kulturelles Glanzlicht. Dabei ist er erst jetzt endgültig bei Bremerhavens Bürgern angekommen: Minutenlange Bravo-Rufe und Standing Ovations. Hans Happel

nächste Vorstellungen: 26.10. und 8.11.