Mal kräftig durchatmen

Biogasanlage auf der Insel Pellworm: Die Energiegewinnung aus Gülle und Mais soll Landwirten ein zusätzliches Einkommen bringen und die Gerüche reduzieren. Investitionen von zwei Millionen Euro

„Hier kommt unsere Biogasanlage hin.“ Jürgen Marcussen zeigt von der schmalen Straße „In de See“ auf eine Weide, die direkt vor dem Pellwormer Solarfeld und unweit einer altgedienten Windkraftanlage liegt.

Es ist nicht irgendeine, sondern eine aus energiepolitischer Sicht historische Stelle: Genau auf dieser und auf benachbarten Weiden erstreckte sich zu Beginn der 80er-Jahre ein Windtestfeld, wo im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Forschung und Technik mehrere kleinere Windkraftanlagen der noch in den Anfängen stehenden Windbranche wichtige Erkenntnisse einbrachte. „Die meisten Mühlen machten sich selbstständig“, erinnert sich der 60-jährige Marcussen an technische Pannen, bei denen schon mal Windflügel zu Boden stürzten.

Wo vor 20 Jahren Pleiten, Pech und Pannen den Weg für späteren Erfolg bahnten, will Marcussen zusammen mit dem Unternehmer Stefan Frener und dem Landwirt Henning Clausen in Zukunft keine technischen Experimente veranstalten, sondern Gewinne machen. Das Trio gründete 2002 die Pellwormer Biogas GmbH und sieht in der Energiegewinnung aus Gülle und Mais eine zusätzliche Einkommenschance für die Landwirte auf Pellworm.

Voraussetzung aller Planungen sei allerdings, so Frener, dass die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) Strom aus Biogas eine Vergütung von etwa 13 Cent pro Kilowattstunde gewährt. Zwar ist das ehrgeizig gesetzte Ziel, schon im Oktober 2004 mit der Stromproduktion zu beginnen, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr zu erreichen, doch sind alle Beteiligten trotz der Verzögerungen zuversichtlich, dass die projektierte Biogasanlage mit zwei Gasmotoren à 180 Kilowatt (kW) Leistung zu einem späteren Termin ans Netz gehen wird.

„Endlich“, wird so mancher sagen, denn an diesem Projekt ist auf der Insel im Rahmen eines ehrgeizigen CO2-neutralen Energiekonzeptes seit Jahren gearbeitet und quer durch die Insel gestritten worden. Ausgangspunkt aller bisherigen Planungen und Projektierungen war es, den Energiebedarf auf der 37 Quadratkilometer großen Marschinsel aus eigenen erneuerbaren Energieressourcen zu decken. Da der Strom aus 13 Windmühlen und aus der einst „größten Photovoltaikanlage Europas“ schon über Bedarf ins Netz des regionalen Energieversorgers eingespeist wird, wollte man auch den Wärmebedarf selber decken. Energieautarkie hieß das hehre Ziel.

Ein Denkansatz, den vor allem der Verein „Ökologisch Wirtschaften“ vorantrieb, der aber von der Gemeindevertretung im letzten Jahr endgültig abgelehnt wurde. So fallen die vom Ingenieur Mathias Schikotanz anvisierte europäische Pilotanlage eines Wärmaustauschspeichers und die Idee, vier Blockheizkraftwerke dort hinzustellen, wo die Wärme gebraucht wird, weg. Gleichzeitig wurden die Überlegungen zu einer separaten Behandlung der Gülle von Bioland-Landwirten sowie einer Biogaszapfstelle für Autos über den Haufen geworfen. Weil Bürgermeister und Gemeindevertretung diesen Planungen eine Abfuhr erteilten, wirft Schikotanz den Kommunalpolitikern „Etikettenschwindel“ vor. „Wenn sie von Pellworm als einer Energieinsel sprechen, ist das ein Wischiwaschibild.“

„Die Energieautarkie ist uns nicht so wichtig“, grenzt sich indes Stefan Frener von der dreiköpfigen Biogas GmbH von alten Planungen ab. „Mir ist die Wirtschaftlichkeit wichtiger.“ Er favorisiert eine Biogasanlage, die mit zwei Gasmotoren etwa 2.800.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt, was einer Laufleistung von ungefähr 8.000 Stunden per anno entspricht. Geplant ist, dass 85 bis 90 Prozent der auf der Insel anfallenden Gülle in zwei Fermenter der Biogasanlage gefahren werden. Neben den etwa 26.000 Kubikmeter Rinder- und Schweinegülle sollen zusätzlich rund 120 Hektar Ackerland mit Mais (rund 4.000 Tonnen Biomasse) bestellt werden. Der Mais wird dem Gärprozess als siliertes Koferment zugegeben. Die Investitionen belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro, wovon wahrscheinlich – auf den Förderbescheid wartet man noch – rund 35 Prozent durch Zuschüsse des Landes Schleswig-Holstein finanziert wird.

Während die Umweltverträglichkeitsprüfung läuft, standen die Initiatoren in den Frühjahrsmonaten mit allen Bauern auf der Insel in Liefer- und Beteiligungsgesprächen zur Bildung einer GmbH und Co KG. Man warb Beteiligungskapital in Höhe von etwas mehr als 200.000 Euro ein. Bei einer Mindesteinlage von 2.000 Euro haben inzwischen 29 Gülle- und Biomasselieferanten sowie Betreiber des Pellwormer Windparks Anteile gezeichnet. Auch die Gemeinde beteiligt sich mit einem kleineren Beitrag am Projekt, dessen finanzielle Einwerbung somit abgeschlossen ist.

Für den Landwirt Henning Clausen ist die Biogasanlage zudem ein weiterer Schritt in Richtung „Energiewirt“, ohne dabei seine Milchviehhaltung vernachlässigen zu wollen. Er führt neben seinen betriebswirtschaftlichen Überlegungen, zusätzlicher kommunaler Wertschöpfung und 1,5 Arbeitsplätzen noch ein weiteres Argument für das Biogasprojekt ins Feld. „Unsere Biogasanlage mindert die Geruchsbelästigung erheblich“, sagt Clausen und sieht darin einen Vorteil für die ganze Insel, leben doch viele Bewohner vom Tourismus.

„Wir erhalten schon mal Beschwerden, worin sich Leute über massive Geruchsbelästigungen ärgern“, verrät die Pellwormer Kurdirektorin Silke Domeyer. Allerdings möchte sie nicht allzu schnell einen Konflikt zwischen Tourismus und Landwirtschaft heraufbeschwören. Sie hofft aber, dass durch die Biogasanlage die Gülleausbringung zukünftig kein Reizthema mehr sein wird. DIERK JENSEN