Scorseses Erstlingsfilm „Who‘s That Knocking at My Door“ im B-Movie
: Die Sünden werden auf der Straße bezahlt

Spätestens seit den frühen 90er Jahren, als Raging Bull die meisten Umfragelisten nach dem besten Film der 80er Jahre anführte und Goodfellas ebenso einhellig – außer bei den Oscar-Juroren – zum besten Film des Jahres 1990 gekürt wurde, gilt Martin Scorsese als der wichtigste zeitgenössische amerikanische Regisseur. „Our Best“ wird der bald 62-Jährige in den USA gern genannt – eine Bürde, die ihm womöglich gar nicht so gut tut, hat er seitdem doch außer The Age of Innocence keinen wirklich großen Film mehr gemacht. Immer schwieriger und langwieriger gestalten sich seine Projekte, was zuletzt bei Gangs of New York zu einem monatelangen Ringen um dem Endschnitt mit dem Produzenten Harvey Weinstein führte.

Gern erinnert man sich da, wie es das B-Movie in diesem Monat tut, an seine Filme aus den 70ern zurück, an die nervöse Energie von Werken wie Mean Streets und Taxi Driver, die den kleinwüchsigen Asthmatiker aus Little Italy zu einem Protagonisten des New Hollywood machten. Schön ist, dass nun auch Scorseses autobiografisch gefärbter Erstlingsfilm Who‘s That Knocking at My Door endlich wieder auf der Leinwand zu sehen ist, der in Deutschland überhaupt erst 1989 ins Kino gelangt war. Mag dieses 1965 als Abschlussfilm seines Studiums an der New York University begonnene und erst drei später fertig gestellte, nur 35.000 Dollar teure Werk auch längst nicht so ausgefeilt sein wie die darauf folgenden Arbeiten, so findet sich darin von coolen Gangsterattitüden bis zum Verstricktsein in Schuld – für ihre Sünden bezahlen Scorseses Helden meistens auf der Straße und nicht in der Kirche – doch schon fast alles, was sein Kino ausmacht.

Der Autor Scorsese zeigt sich hier – und er unterschreibt das bis heute – zuallererst als Schüler der Filmgeschichte. Wie die ein paar Jahre zuvor entstandenen ersten Filme der französischen Novelle Vague und wie die Arbeiten von Peter Bogdanovich und Brian De Palma, die wie er selber zur film school generation gehörten, steckt Who‘s That Knocking at My Door voller Zitate und Anspielungen vor allem auf Klassiker des alten Hollywood. Am markantesten ist die Reminiszenz an John Ford und dessen Western The Searchers, die auf mehreren Ebenen geschieht. Zum einen in der ersten Begegnung zwischen J.R. (Harvey Keitel, der hier schon mehr als eine Vorstudie seiner Performance in Mean Streets liefert) und des blonden uptown girls, das er sich bald darauf zum Heiraten aussucht. Er verwickelt sie nämlich in ein Gespräch über The Searchers, als er auf einer Bank sitzend ein Bild daraus in ihrer Zeitschrift entdeckt: „How the hell did they ever get a hold of ‚The Searchers‘?“ Darauf das den gesamten Film über namenlos bleibende Mädchen (Zina Bethune): „The What?“ Kurz darauf er, als sie sich zwar erinnert, aber nicht recht eingestehen mag, Western zu mögen: „Oh Yeah? Why not? Everybody should like Westerns. Solve everybodys problems if they like Westerns.“ Darauf sie: „Okay, I like Westerns.“

Die Liebesgeschichte, die Scorsese in Rückblenden aufblättert, steht jedoch unter keinem guten Stern, und zwar von da an, als das Mädchen J.R. offenbart, keine Jungfrau mehr zu sein. Das kann er, der den Unterschied zwischen broads und virgins, Frauen fürs Bett und Frauen zum Heiraten – Huren und Heilige also – einmal anhand von Howard Hawks‘ Rio Bravo erklärt, erst zu spät akzeptieren. Hier zeigt sich die Parallele von Who‘s That Knocking at My Door zu The Searchers dann auf der Ebene der Geschichte – bei Ford ist es John Wayne, der nicht damit klarkommt, dass seine Nichte mit einem Indianer zusammen war. Die Art von Kino, die Scorsese hier in hartem Schwarzweiß mit fast unbändiger Leidenschaft zu machen begonnen hat, ist jedoch eine ganz und gar unreine.

Eckhard Haschen

Do, 20.30 Uhr, Sa, 20.30 + 22.30 Uhr, So, 20.30 Uhr, B-Movie