Ivorische Friedensgegner im Aufwind

Die Ermordung eines französischen Korrespondenten führt zur Krise zwischen Elfenbeinküste und Frankreich

BERLIN taz ■ Die Ermordung des französischen Journalisten Jean Hélène in der Elfenbeinküste durch einen Polizisten am Dienstag führt zu schweren politischen Verstimmungen. Die ivorischen Behörden boykottierten am Donnerstag die Trauerfeier für Hélène in Abidjan vor der Rückführung von dessen Leiche in seine Heimat, während Frankreichs Präsident Chirac, der gerade die Nachbarländer Mali und Niger bereist, dem ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo „bösen Willen“ vorwarf und lückenlose Aufklärung forderte. Die Allparteienregierung der Elfenbeinküste entließ am Donnerstag Polizeichef Baby Adolphe.

Präsident Gbagbo drückte sich in einem Interview mit dem französischen Rundfunksender RFI, für den Hélène in Abidjan gearbeitet hatte, vor einer Verurteilung des Mordes. „Wenn Krieg herrscht, liegen die Nerven blank, und es herrscht Irrationalität“, sagte er lediglich. Seit September 2002 herrscht Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste, und Rebellen kontrollieren die Nordhälfte des Landes. Im Januar schlossen die Kriegsparteien Frieden, aber Gbagbos radikale Anhänger lehnen den in Frankreich ausgehandelten Friedensvertrag ab und hetzen gegen die einstige Kolonialmacht, die ihrer Meinung nach mit ihrer 3.800 Mann starken Eingreiftruppe entlang der quer durch das Land verlaufenden Waffenstillstandslinie die Teilung der Elfenbeinküste festigt.

Anhänger des Präsidenten werfen den französischen Medien seit Kriegsbeginn Parteilichkeit vor und reagieren empfindlich auf jede Kritik an ihrer eigenen Politik, die auf die Massenvertreibung von Millionen Migranten aus der Elfenbeinküste hinausläuft. Letzten Monat, als die ivorischen Rebellen aus der Allparteienregierung austraten und Jean Hélène darüber berichtete, erinnerte Abidjans radikalstes Nationalistenblatt Le National daran, dass der Journalist schon beim Völkermord in Ruanda 1994 auf Todeslisten von Milizen stand – er entkam damals nur, weil in seinem Pass des Elsässers sein richtiger Name Christian Baldensperger stand, den die Hutu-Milizionäre nicht kannten. In Berichten über seine Ermordung hat Notre Voie, das Parteiblatt von Gbagbos „Ivorischer Volksfront“ (FPI), jetzt diesen Namen, der Hélène in den Augen der Verfechter ethnischer Reinheit sofort verdächtig macht, prominent herausgestellt.

Der mittlerweile festgenommene Polizist Dago Séry, der Hélène erschoss, gehört nach Recherchen der Oppositionszeitung Le Patriote einer vor zwei Jahren gebildeten Sondereinheit der Polizei namens BSP (Brigade zur Personenüberwachung) an, die ausschließlich aus Mitgliedern von Gbagbos Bété-Ethnie bestehe. Nach UN-Recherchen sind die Grenzen fließend zwischen solchen Teilen des Sicherheitsapparates und radikalen Milizen in Abidjan, die zur Jagd auf „Ausländer“ rufen und den Frieden ablehnen. Die radikalste dieser Milizen, die sich selbst „Patrioten“ nennen, wurde am 16. Oktober von der Allparteienregierung verboten: die GPP (Gruppe der Patrioten für den Frieden), die nach eigenen Angaben 15.000 Bewaffnete hat und die „Befreiung der Elfenbeinküste“ durch den „Kampf gegen die Söhne der Einwanderer“ propagiert.

Die GPP erkennt ihr Verbot nicht an – und wird dabei von Präsident Gbagbo unterstützt. „Ich unterstütze die jungen Patrioten“, sagte der Staatschef einen Tag nach dem Regierungsbeschluss vor Delegierten der Milizen. „Mein Kampf als Präsident der Republik ist der gleiche, den ihr auf der Straße führt.“ Zugleich sagte FPI-Parteichef Pascal Affi Nguessan, Frankreichs Armee „reorganisiert und versorgt die Rebellen“ und Frankreich sei „für alles verantwortlich, was in der Elfenbeinküste passieren könnte“.

In dieses Klima fiel die Ermordung Hélènes. Die weltweite Verurteilung des Mordes beweist radikalen Gbagbo-Anhängern nun, dass sie Opfer eines weltweiten Komplotts sind. So verschärft sich die politische Krise der Elfenbeinküste weiter, in der ein Funke genügt, um den Krieg wieder voll aufflammen zu lassen.

DOMINIC JOHNSON