Facelifting für Hollywood

Ob Malerei oder Film: Sarah Morris verbindet das Glitzern der Oberfläche mit einem Blick auf die Konstruktion dahinter. In „Bar Nothing“ schweift sie durch Los Angeles

Entspannt dudeln Ambient-Beats durch den abgedunkelten Raum. Entspannt hat sich auch die blonde Enddreißigerin auf der Leinwand in die Hände des Chirurgen ihres Vertrauens begeben. Entspannt drückt dieser ihr jetzt die Botox-Spritze in den Schädel. Nicht entspannen kann sich in diesem Augenblick allerdings der Betrachter, wird ihm doch die Erkenntnis eingeimpft, dass seine schöne Kinowelt auf Künstlichkeit beruht – dem Nervengift unter der glatten Gesichtshaut.

Die Szene stammt aus einem Videofilm über Los Angeles, den die amerikanische Künstlerin Sarah Morris gedreht hat. Ihre Begeisterung für schillernde Oberflächen geht immer mit dem Wunsch einher, die dahinterliegende Konstruktion anzudeuten. So funktioniert auch ihre Malerei. Die leuchtenden Linien- und Farbflächen ihrer Bilder erinnern zunächst an Hard-Edge oder Minimal-Art. Titel wie „People’s Bank“ oder „Capitol“ verraten jedoch, dass es sich nicht um formale Spielereien per se handelt: Morris überträgt die geometrischen Raster amerikanischer Hochhausfassaden als fragmentarische, stark abstrahierte Muster auf die Leinwand.

Mit vier Bilderzyklen über New York, Miami, Las Vegas und Washington hat sich Morris einen festen Platz im zeitgenössischen Kunstkanon erarbeitet. Jetzt zeigt die Galerie Max Hetzler unter dem Titel „Bar Nothing“ einen fünften Zyklus über Los Angeles. Man stellt fest: Die Hochglanzlackfarbe leuchtet wie immer, aber die Raster sind verspielter geworden. Das Auge registriert keine Perspektive mehr: Morris „Sony“ sieht eher aus wie ein Meteoritenschauer. Die dominierenden Farben Rosa, Orange und Hellgrün entsprechen dem Zeitgeschmack, passen problemlos zu Vintage-Möbeln. Ob diese Gefälligkeit der neuen Bilder mit der Atmosphäre in Los Angeles zusammenhängt?

Aufschluss könnte der Film geben, der traditioneller Bestandteil von Morris’ Werkzyklen ist. In vielen Szenen bewegt sich die Kamera durch die Stadtlandschaft von L. A., scannt die Architektur, deren Details später in Morris’ Bildern auftauchen. Nachtfahrten durch regennasse Häuserschluchten oder sterile Autobahntunnel bieten eine Prise urbaner Coolness. Doch der Film richtet den Blick auch hinter die städtische Kulisse, auf die Traumfabrik Hollywood und deren prominente und semiprominente Akteure. Morris dekonstruiert die Künstlichkeit dieser glamourösen Scheinwelt. Sie filmt Dennis Hopper beim Autofahren und Ben Stiller auf dem roten Teppich vor der Oscar-Verleihung. Da die Gespräche der Schauspieler fehlen, wirken Hoppers Bewegungen seltsam beliebig, Stillers dagegen wie einstudierte Posen. Die albernen Zappeleien bekommen nur durch die programmierten Beats des Soundtracks wieder Ästhetik und Sinn.

In anderen Bildsequenzen zeigt Morris die ständig präsenten Fernsehkameras. In „Los Angeles“ scheinen Leinwandgötter wie Brad Pitt lediglich Teil eines halb realen, halb fiktionalen Stadtkosmos zu sein, auf dessen Mechanismen sie letztendlich keinen Einfluss haben. Typisch für Morris ist, dass sie am Lack der Traumfabrik Hollywood kratzen kann, ohne sie zu entzaubern. Ihr Film ist keine Dokumentation, sondern eher ein 25-minütiges Musikvideo. Bei aller Kritik bleibt die glänzende Oberfläche stets intakt. Das passt zu L. A., möchte man denken.

TIM ACKERMANN

Galerie Max Hetzler, Zimmerstr. 90/91(Malerei) und Holzmarktstr. 16–18, S-Bahn-Bogen 48 (Film). Di.– Sa. 11–18 Uhr. Katalog 35 €