Vom Schlauchboot zum Flashmob

Als Vorspann der Großen Gala der politischen Aktion (siehe Text rechts) gibt es einen Vortrag von The Yes Men (Andy Bichlbaum) „Freedom, Utopia and Laughing“ über globalisierungskritische Aktionen. Bichlbaum ist zusammen mit Mike Bonano Gründer der politischen Aktivistengruppe aus New York. Die spektakulären Aktionen der Yes Men sind politische Subversion vom Feinsten: Durch eine gefälschte Internet-Seite der Welthandelsorganisation WTO machten sie 1999 Furore. Immer wieder traten The Yes Man undercover als vermeintlich legitime WTO-Mitarbeiter zu Konferenzen und Vorträgen auf, auf denen sie die Ziele der WTO satirisch karikierten und die kaum vorstellbaren Zustände in den Teppichetagen der Weltkonzerne entlarvten. Zum Vortrag wird Bichlbaum Ausschnitte des aktuellen Films „The Yes Men Fix The World“ zeigen: Samstag, 18. April 2009, 17 Uhr im Auditorium des HKW.

Wie Politik auf die Straße und in die Städte bringen? Die Gala der politischen Aktion auf dem tazkongress stellt Möglichkeiten vor, taz-Leser wählen mit: Auf eure Stimme kommt es an!

„Deutschland ist uns Möhre“ steht auf dem Plakat, das der rosa Riesenhase in die Höhe hebt. Er steht auf dem roten Teppich am Potsdamer Platz und winkt. Anlass ist die Filmpremiere von „Operation Walküre“, der Hase gehört zu der Aktivistengruppe Pink Rabbit, einer Kampagne der Naturfreundejugend Berlin. Die Gruppe legt es darauf an, nationale Inszenierungen lächerlich zu machen. Sie stören an verschiedenen Orten in den unmöglichsten Momenten die Inszenierung der gemeinsamen Geschichte, die Menschen auf die Nation einschwören soll.

Pink Rabbit ist nur eine der Gruppen, die sich auf dem tazkongress am Samstagabend auf der großen Gala der politischen Aktion vorstellen wird. Neben den vielen Diskussionen, Vorträgen und Workshops möchte der tazkongress nämlich auch zeigen, wie man Politik auch auf die Straße bringen kann.

Diverse Gruppen, Initiativen und Einzelakteure aus der politisch aktiven Szene bekommen am Kongress-Samstag ab 20 Uhr rund fünf Minuten Zeit, um sich auf der Bühne des Auditoriums im HKW mit ihren Aktionen zu präsentieren. Eine ausgewählte Jury, Daniel Cohn-Bendit, die Performerin Uli Ertl, Jochen Stay von der Bewegungsstiftung und Gina Bucher von der taz, beurteilen die vorgestellten Aktionen. Und da es bei jeder politischen Aktion aber letztlich immer darum geht, die Öffentlichkeit zu erreichen, wählt am Ende das Publikum einen Favoriten aus: Eure Stimme zählt!

In erster Linie geht es auf der Gala der politischen Aktion darum, spannenden und kreativen Akteuren ein Podium zu bieten und anderen Anregungen zu geben. Der tazkongress will das Anliegen der Akteure durchaus ernst nehmen und gleichzeitig die Vielfalt des politischen Widerstandes präsentieren und zeigen, wie er Spaß macht. Acht Gruppen haben bis jetzt zugesagt, darunter die oben genannten Pink Rabbit, die in Berlin auch für die Umbenennung der Mohrenstraße in Möhrenstraße verantwortlich waren. Durch die Abwandlung der abwertenden Bezeichnung Mohr wollten sie einen Teil des rassistischen Stadtbildes in Berlin zerstören.

Außerdem wird sich am Samstagabend die Bergpartei vorstellen. Ein Netzwerk aus kollaborativen Kulturaktivisten, das den Nutzen von wirtschaftlichem Wachstum infrage stellt. Die Bergpartei sieht sich weder als Parodie noch als Spaßpartei, sondern als Versuch, Mitglieder einer entpolitisierten Spaß/Party/Kunst-Gesellschaft wieder für politische Entscheidungen zu sensibilisieren.

Die Front deutscher Äpfel, eine Kunstgruppe um den Gründer Alf Thum, die rechtsextreme Parteien parodiert, nimmt ebenfalls teil. Sie bezeichnen sich selber als „Nationale Initiative gegen Überfremdung des deutschen Obstbestandes und gegen faul herumlungerndes Fallobst“. Die Front deutscher Äpfel treten bei NPD- und Neonaziaufmärschen mit Gegendemonstrationen auf.

Der BigBrother Award Deutschland ist ein Negativpreis, der die öffentliche Diskussion über Datenschutz, Privatsphäre und Überwachung fördern soll, und präsentiert sich ebenfalls am Samstagabend. Seit 1998 werden Firmen, Organisationen und Personen, die die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen und persönliche Daten Dritten zugänglich machen, mit diesem Award ausgezeichnet.

Campact ist eine Organisation, die sich mit über 100.000 Menschen via Internet in aktuelle politische Entscheidungen einmischt.

Die Garten Piraten sind eine Guerilla Gardening Gruppe, die verwahrlostes Land in Berlin bepflanzen. Für die Stadtverschönerung haben sie verschiedene Motivationen: sei es ein ökologisches Anliegen, sei es aus politischem Protest oder ein künstlerischer Anspruch.

Es ist viel los am Samstagabend des Kongresses: 17 Uhr Vortrag von The Yes Men (Andy Bichlbaum) im Auditorium / 18 Uhr Signierstunde mit ©TOM / 18.00 Uhr Ausstellungsführung im Foyer mit den Kuratoren von Pictopia / 19 Uhr Gnadenloses Ökotainment zur Gitarre von Ökokolumnisten Martin Unfried / Parallel dazu Von Schwertern und Kochlöffeln mit Vokü-Star Wam Kat, Sigrid Renner (taz-café) und Till Ehrlich (Weinexperte taz.mag) / Um 20 Uhr muss man sich entscheiden zwischen der beschriebenen Gala der politischen Aktion: Vom Schlauchboot zum Flashmob im Auditorium, dem Improtheater Theatersport und Bernd Begemann und den Sternstunden der Wahrheit, einer Lesung mit vielen Wahrheit-Autoren / 21 Uhr Tu nix 2.0, Kamingespräch mit taz-Veteranen Helmut Höge und Mathias Bröckers, zeitgleich mit dem demokratischen Flügel mit taz-Leser Jörg Jungmayr / Ab 22.45 Uhr Sonora Milagrosa live im Restaurant / 22.30 Uhr Vormitternachtklub mit Ralf Sotscheck & Harry Rowohlt / Außerdem Heidi & Peter, Dj-live-Act ab 23.30 Uhr; DJ Tobias Rapp ab 0:30 Uhr bis spät.

Gegensaat ist eine Gruppierung von ÖkoaktivistInnen, die sich durch Aussäen von normalem Mais auf Genmaisfeldern, gegen ebendiesen engagieren. Auch sie werden sich auf dem tazkongress präsentieren.

Cécile Lecomte alias Das Eichhörnchen ist eine Kletteraktivistin, die ihre Fähigkeit gern bei politischen Aktionen des zivilen Ungehorsams einsetzt. Ihr Protest richtet sich gegen Gentechnik, Militärspektakel oder Naziaufmärsche. Die Baumbesetzungen dienen dem Schutz der Wälder oder richten sich gegen umweltzerstörende Bauprojekte.

Wie sich die AktivistInnen auf der Gala der politischen Aktion präsentieren, bleibt eine Überraschung. Man darf gespannt sein. Der rosa Riesenhase jedenfalls freut sich über jede Streicheleinheit. MAREIKE BARMEYER