Biobäcker peilen den Massengeschmack an

Biobäcker stellen sich auf einen wachsenden Käuferkreis und einen härter werdenden Wettbewerb ein – mit Broten für Jedermann

Die Bohlsener Mühle macht jetzt auf billig. Die Bio-Bäckerei aus der Lüneburger Heide hat ein neues Brot unter dem Namen „Günstling“ kreiert. Das Mischbrot soll helfen, neue Kundschaft an Bioprodukte heranzuführen und liegt von Geschmack und Preis her in der Nähe konventioneller Brote: 500 Gramm für 1,79 Euro.

Wie die Bohlsener Mühle reagieren viele Bio-Bäcker darauf, dass sich der Markt für Bioprodukte verändert hat. Der Käuferkreis ist gewachsen. Die Produzenten, die sich bisher auf eine kleine ernährungsbewusste Minderheit spezialisiert hatten, sehen sich genötigt, sich mit neuen Produkten der allgemeinen Nachfrage anzupassen. Viele Biobäcker der alten Schule haben nun auch verstärkt leichte Mischbrote im Sortiment, denn schweres Schwarzbrot ist nicht jedermanns Sache.

Von Discounter- und Selbstbackfilialien versuchen sich die Ökobäcker abzugrenzen, indem sie bessere Qualität liefern. „Wir spielen in einer ganz anderen Liga als die industriellen Produkte“, sagt Sven Böttcher von der Bäckerei Effenberger. Bis zu 24 Stunden braucht es, ein Biobrot herzustellen. Die Industrievariante kommt schon nach drei Stunden aus dem Ofen.

Neben der schonenden Herstellung spielt die Herkunft der Rohstoffe eine entscheidende Rolle. Für viele Biobäcker ist es mit dem einfachen Bio-Siegel nicht getan. Sie setzen auf Kornlieferanten vom Anbauverband Bioland, um den ökologischen Landbau der eigenen Region zu unterstützen. Die größte Bio-Bäckerei Hamburgs, Bahde, ist Demeter-Vertragsbäckerei, denn auch die Landwirte des Demeter-Verbundes haben höchste Ansprüche und verstehen das Bio-Siegel als Öko-Mindestmaß.

Viele Verbraucher schätzen diese Sorgfalt. Es sind nicht mehr die kompromisslosen Bio-Hardliner früherer Protestgenerationen. Allerdings sei der konventionelle Geschmack mit der Reichhaltigkeit gewöhnlicher Biobrote oft überfordert, meint Björn Goldschmidt von der Bohlsener Mühle. „Ein richtiges Vollkornbrot ist nunmal nicht mit so einem industriellen Papierbrot zu vergleichen, das macht richtig satt.“

Selbst die kleinste Biobäckerei Hamburgs, das „Rettungsbrot“ in Borgfelde,bemerkt die neuen Kunden. „Auf Kundenwunsch habe ich auch schon ein Mischbrot gebacken“ sagt Bäckermeister Martin Kastner, „aber Stammkunden bevorzugen ein schön saftiges Schrotbrot.“JOSEPH VARSCHEN