Der Staat klotzt für die Kurzen

Das Kinderförderungsgesetz macht den Weg frei für einen umfangreichen Ausbau der Kinderbetreuung. Der Bund saniert zudem die Infrastruktur. Ein Gütesiegel soll einheitliche Standards bei der Ausbildung von Tagesmüttern garantieren

In diesem Jahr stehen 15 Millionen Euro für Investitionen in den bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige in Berlin zur Verfügung. Die Beantragung für das Förderjahr 2009 ist bereits angelaufen. Bis 31. März 2009 können Träger der freien Jugendhilfe und die Kita-Eigenbetriebe für ihre Einrichtungen sowie die bezirklichen Jugendämter für die öffentlich finanzierte Kindertagespflege Anträge auf die Gewährung von Fördermitteln für das Jahr 2009 stellen. SK www.bjsinfo.verwalt-berlin.de

VON SVEN KULKA

Jedes dritte Kind unter drei Jahren soll ab 2013 einen Platz in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter bekommen. Nach der Zustimmung des Bundesrates zum Kinderförderungsgesetz ist der Weg für den bislang umfangreichsten Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland dafür frei. Um das Ziel zu erreichen, muss das Betreuungsangebot in den kommenden fünf Jahren auf 750.000 Plätze verdreifacht werden. Bund, Länder und Kommunen geben dafür zusammen 12 Milliarden Euro aus. Berlin erhält 87,4 Millionen Euro vom Bund.

Quantitativ hat Berlin die geforderte Zielmarke längst erreicht. Die Hauptstadt bietet 40 Prozent der unter Dreijährigen eine Betreuung an und liegt damit schon heute deutlich über dem von der Bundesregierung angestrebten Wert von 35 Prozent. Trotzdem: Bis 2013 will Berlin mit 186 Millionen Euro zusätzlich das Betreuungsangebot für gegenwärtig 34.700 unter drei Jahre alte Kinder in Berlin quantitativ und qualitativ verbessern.

Gefördert werden Investitionen zur Sicherung vorhandener und Schaffung neuer Betreuungsplätze in Kitas und bei Tagesmüttern in Berlin. Das Programm umfasst Neu-, Aus- und Umbaumaßnahmen, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie Renovierungs- und Ausstattungsmaßnahmen. Ebenso werden zum Beispiel die Umwandlung von ehemaligen Hort- zu Krippenplätzen gefördert und Betriebskostenzuschüsse für diese Einrichtungen gewährt.

Geld gibt’s für Gebäude, nicht für Personal

Die vom Bund für Berlin zur Verfügung gestellten 87,4 Millionen Euro dürfen allerdings nur in die Gebäude investiert werden, nicht in Personal. Kritik kommt vom Landeselternausschuss Kita (Leak). Er fordert unter anderem, zusätzlich Erzieherinnen in die Kitas zu schicken und die Betreuungszeiten auszuweiten. Außerdem sollten sich Erzieher in Kindertagesstätten künftig mindestens drei Tage im Jahr fortbilden dürfen. Damit seine Forderungen Anwendung finden, startete der Ausschuss ein Volksbegehren, das der Berliner Senat für ungültig erklärt hat. Der Landeselternausschuss Kita will dagegen Einspruch erheben, „denn wir dürfen gerade bei der Betreuung der Allerkleinsten in unserer Gesellschaft nicht sparen“, fordert der Leak-Vorsitzende Burkhard Entrup.

Grundsätzlich findet das Kinderbetreuungsgesetz allerdings Zustimmung: „Es ermöglicht Müttern, schnell wieder berufstätig zu sein“, sagt die Berliner Rechtsanwältin und Mediatorin Sabine Hufschmidt. Und das käme der gesamten Familie auch aufgrund der finanziellen Sicherheit zugute. Leider für viele Regionen in Deutschland erst ab 2013 und zudem nur mit einem Anspruch für jedes dritte Kind.

Vorbild für die Kleinkinderbetreuung sind für viele Regionen unserer Nachbarländer wie Frankreich, wo die Quoten wesentlich besser sind. Ein Zwischenbericht des Bundesfamilienministeriums zeigt, dass der Ausbau der Kleinkinderbetreuung in vielen Bundesländern trotz des neuen Kinderförderungsgesetzes noch stagniert.

Viele kommunal betriebene Kindertagesstätten wollen ihre Plätze für unter Dreijährige aber nun erhöhen. So beispielsweise der Kita-Eigenbetrieb Nord-West. Insbesondere im Babyboom-Kiez Charlottenburg steige die Nachfrage nach Betreuung von Kindern unter drei. Auch freie Träger wollen die Zahl der Krippenplätze aufstocken. Die Vereine und Verbände, die der Paritätische Wohlfahrtsverband als Dachorganisation vertritt, bieten rund ein Drittel aller Berliner Kitaplätze zum Teil auch für unter Dreijährige an. Vor allem in Friedrichshain und Prenzlauer Berg, aber auch in Marzahn steige der Bedarf.

Geld für Betreuung zu Hause ist stark umstritten

Laut Gesetzentwurf soll ab 2013 außerdem monatlich das sogenannte Betreuungsgeld an Familien gezahlt werden, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen. Details dazu entscheidet der nächste Bundestag. Im Vorfeld gibt es dazu verschiedene Meinungen: Die einen befürchten, dass einkommensarme Familien mit dem Betreuungsgeld lediglich ihre Haushaltskasse aufbessern wollen und ihre Kinder daher lieber zu Hause lassen. Andere wiederum sehen in der geplanten monatlichen Zahlung den Wunsch einer Mehrheit von Familien erfüllt, dass der häuslichen Erziehung dieselbe Wertschätzung zukommt wie der Erziehung in Kinderbetreuungseinrichtungen.

Um die Qualität der Betreuung weiter zu verbessern, stellte das Bundesfamilienministerium diesen Monat außerdem ein Qualifizierungsprogramm für Tagesmütter vor, das einheitliche Standards in deren Ausbildung sicherstellen soll. Der durch den Ausbau entstehende zusätzliche Personalbedarf soll zu zwei Drittel von den Kita-Erziehern, zu einem Drittel über Tagesmütter abgedeckt werden. Ihre Zahl soll in den nächsten Jahren auf rund 60.000 verdoppelt werden. Dafür wollen die Bundesregierung, die Länder sowie die Bundesagentur für Arbeit ein gemeinsames Gütesiegel für Ausbildungsträger einführen. Bislang sind die Anforderungen an Tagesmütter regional unterschiedlich geregelt.