Sexy Kostüme verboten

Vietnams kommunistische Führung will sich beim Asem-Gipfel in Hanoi von der allerbesten Seite präsentieren. Es geht um Prestige und die Aufnahme in die WTO

HANOI taz ■ Soren Eckberg traute seinen Ohren nicht, als der vietnamesische Grenzbeamte ihn und seine Frau wieder zurück in die Abflughalle schickte. Das Visum sei nicht mehr gültig, erklärte er den schwedischen Touristen. „Dabei haben wir das Visum von Vietnams Botschaft in Stockholm bekommen“, ärgert sich Eckberg. „Jetzt sollten wir wieder zurück nach Kuala Lumpur.“ Erst lange Verhandlungen der schwedischen Botschaft mit dem Innenministerium ermöglichten die Einreise. Andere Touristen mussten umkehren.

„Wir haben beschlossen, ab dem 15. September niemanden mehr ohne Einladung einreisen zu lassen“, sagt Vietnams Außenamtssprecher Le Dung. Sicherheit habe bei der Vorbereitung des Asem-Gipfels Priorität. Der zweitägige Gipfel der 39 Staats- und Regierungschefs aus Asien und Europa, der morgen offiziell eröffnet wird, ist das größte Treffen politischer Führer in Vietnams Geschichte. Dabei sind Bundeskanzler Schröder, Frankreichs Präsident Chirac und Japans Premier Koizumi.

Vietnams kommunistische Führung ist nervös. Um jeden Preis soll der Gipfel reibungslos verlaufen. Auch wenn außer Lippenbekenntnissen zur Kooperation kaum konkrete Beschlüsse erwartet werden, soll die Botschaft der Führung lauten: Seht her, wir gehören zur internationalen Staatenfamilie. Vietnam braucht die Welt, vor allem den Weltmarkt. Seit der ökonomischen Öffnung des Landes 1986 wuchs die Wirtschaft im Schnitt um mehr als 7 Prozent pro Jahr. „Soll dieses Wachstum gehalten werden, muss das Land mehr exportieren und das Ausland mehr bei uns investieren“, erklärt Le Dang Doanh, ein Berater des Premierministers. 2005 will Vietnam Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) werden. Auch dafür soll der Gipfel Stimmung machen.

„Die KP-Führung glaubt, der beste Weg zur Machtsicherung ist, etwas für den Wohlstand der Bevölkerung zu tun“, meint Felix Schmidt, Büroleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Hanoi. „Deshalb sieht die Führung zur wirtschaftlichen Öffnung keine Alternative.“ Dies führe aber zu Widersprüchen im Einparteiensystem. „Man kann sich keine geschlossene, staatlich kontrollierte Medienlandschaft mehr leisten, will man global agieren“, so Schmidt. „Exportfirmen brauchen Informationen über die Welt, das Internet und ausländische Medien.“

Dies macht vielen im Apparat Angst. Sie setzen alles daran, mit der wirtschaftlichen Öffnung nicht auch die Kontrolle über die Menschen zu verlieren. So wurde kürzlich der Pharmazeut Pham Hong Son, der einen Text von der Webseite der US-Botschaft mit dem Titel „Was ist Demokratie?“ an Bekannte verschickte, wegen „Spionage“ zu 13 Jahren Haft verurteilt. Nach ausländischen Proteste wurde die Strafe auf fünf Jahre reduziert. „Viele der wichtigen Politiker sind noch stark vom Krieg geprägt“, sagt Schmidt. Dies bedeute ein tiefes Misstrauen gegen alles, was von außen kommt. So rief das Zentralkomitee kürzlich zum Kampf gegen das ausländische „Komplott der friedlichen Veränderung im ideologischen und kulturellen Bereich“ auf. Jetzt dürfen etwa Künstler mit „glatt rasiertem Kopf“, „bunt gefärbtem“ oder „zu langem, zersaustem Haar“ sowie mit „sexy aufreizenden“ Kostümen nicht mehr ins Fernsehen oder auf die Bühne.

Trotzdem glaubt Schmidt von der Ebert-Stiftung, „dass die wirtschaftliche Öffnung über kurz oder lang auch eine politische Öffnung nach sich ziehen wird“. Allerdings werde das System wohl noch lange autoritär bleiben. SEBASTIAN FELLMETH