„Ja, es gibt Ungereimtheiten“

Vier Milliarden Dollar Hilfsgelder hat Iraks Übergangsregierung bislang ohne Belege ausgegeben. Christoph Wilcke von „Save the Children“ fordert mehr Transparenz

taz: Herr Wilcke, die Geberkonferenz hat gerade mal die Hälfte der Gelder zusammenbekommen, die der Irak in den nächsten vier Jahren braucht. Ist die Konferenz gescheitert?

Christoph Wilcke: Es ist ein Erfolg an sich, dass die Konferenz stattgefunden hat und dass sich viele neue Nationen bereit erklärt haben, beim Wiederaufbau des Irak mitzuhelfen. Wenn man sich allerdings die Summen anschaut, die hier in Madrid versprochen wurden, dann ist die Konferenz nur ein kleiner, sehr vorsichtiger Schritt.

Werden die Gelder tatsächlich dahin gelangen, wo sie gebraucht werden?

Wir haben da einige Bedenken, was die Verwaltung der Gelder durch die irakische Übergangsregierung CPA angeht. Unsere Hauptsorge ist dabei die mangelnde Transparenz. Vor allem ist uns nicht klar, wie irakische von internationalen Geldern separat gehalten werden.

Mit Christian Aid haben Sie in Großbritannien eine parlamentarische Untersuchung zu diesem Thema vorbereitet.

Ja, es gibt da große Ungereimtheiten. Insgesamt sind vier Milliarden Dollar von der CPA ohne Belege ausgegeben worden.

Was heißt das?

Ich will niemandem Korruption unterstellen. Die Frage ist, ob die Gelder für die richtigen Prioritäten verwandt werden. Es gibt zum Beispiel Verträge, um Ölinstallationen zu sichern. Damit werden internationale Gesellschaften beauftragt. Diese Kosten müssten die Besatzer übernehmen. Es kann nicht angehen, dass die Iraker, die von fünf Dollar am Tag leben, dafür bezahlen. Die prekäre Sicherheitslage ist nicht ihr Verschulden, sondern Folge des Krieges.

Jetzt kommen zwei neue Fonds hinzu, einer der Weltbank und ein UN-Fonds. Das macht den Prozess nicht gerade transparenter.

Es besteht die große Gefahr eines Wettbewerbs zwischen den Fonds. Die Iraker müssen sich für die gleichen Bereiche an verschiedene Geber wenden. Hinzu kommen noch Länder wie Deutschland, die weder in die neuen Fonds noch in die Besatzungsverwaltung einzahlen, sondern bilateral Gelder vergeben. Das macht das Ganze nochmal komplizierter.

Wie beurteilen Sie die Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Geberkonferenz?

Warum stimmt man vor zehn Tagen der neuen Irakresolution der UNO zu, wenn man hier nicht mitmacht? Es fehlt unserer Ansicht nach noch einiges, um zu einem legitimen politischen Prozess zu finden – insofern stimmen wir mit der deutschen Regierung überein. Auch wir hätten gern gesehen, dass die UNO nach dem Krieg die Führung übernimmt. Doch jetzt befinden sich Deutsche, Russen und Franzosen in einer Zwickmühle. Sie haben mit Ja gestimmt. Es wird keine weitere Resolution geben, die die Situation gravierend verändert.

INTERVIEW:
REINER WANDLER