Besatzer sind ein wenig reicher

Knapp die Hälfte der von den USA gewünschten Summe kam auf der Geberkonferenz zusammen. An einen Schuldenerlass für den Irak denkt niemand

aus Madrid REINER WANDLER

Die Reden glichen sich. Nur die Beträge waren unterschiedlich. Ein Vertreter nach dem anderen stieg gestern bei der Irak-Geberkonferenz für fünf Minuten auf das Rednerpult und kündigte den Beitrag seiner Regierung für den Wiederaufbau des völlig zerstörten Landes an Euphrat und Tigris an. Zwei Tage lang hatten sich die Abgeordneten aus insgesamt 77 Staaten in Madrid getroffen, um Geld für den Wiederaufbau des Irak zu sammeln.

Doch trotz wiederholter Aufrufe zur „Großzügigkeit“ seitens UN-Generalsekretär Kofi Annan und US-Außenminister Colin Powell kamen am Ende von den für die nächsten vier Jahren benötigten 56 Milliarden Dollar nur knapp 70 Prozent zusammen.

Zieht man davon die 20 Milliarden, die die USA bereits lange vor der Konferenz in Madrid zugesichert hatten und am neu gegründeten Weltbankfonds vorbei verwalten werden, ab, sieht die Bilanz noch trauriger aus. Powell erwartete von der internationalen Gemeinschaft 36 Milliarden Dollar. Nur etwas mehr als die Hälfte davon kam tatsächlich zusammen.

Und das nur, wenn großzügig gerechnet wird. Denn viele der zugesicherten Gelder sind Kredite, so zum Beispiel die 4,25 Milliarden Dollar des Internationalen Währungsfonds (IWF). Oder 3,5 der 5 Milliarden aus Japan.

Die Länder, die sich so wie Deutschland, Russland und Frankreich gegen den Irakkrieg ausgesprochen hatten, spendeten nichts. Wer den Schaden angerichtet hat, soll auch dafür bezahlen, heißt offenbar weiter ihre Devise.

Bundesaußenminister Joschka Fischer wies gestern in Berlin die Kritik an der deutschen Haltung zurück. Die Bundesregierung zahle fast 200 Millionen Euro an bilateraler Hilfe und über die EU. „Das sind keine kleinen Münzen und schon gar nicht in der gegenwärtigen finanziellen Situation“, erklärte der Außenminister.

Die Versammlung in Madrid erinnerte oft an eine Versteigerung von Aufträgen. Jeder noch so kleine Beitrag wurde wortgewaltig angekündigt. Nicht ganz ohne Hintergedanken: „Wer jetzt hilft, wird später bevorzugt behandelt“, hatte der Sprecher der irakischen Übergangsregierung (CPA), Mowaffak al-Rubaie, zum Auftakt der Konferenz angemahnt.

„Die Geldsumme ist sehr ermutigend“, erklärte sein Chef, der Vorsitzende der Übergangsregierung, Ijad Allawi, trotz des riesigen Finanzlochs, das auch am Ende der Konferenz noch klaffte. Sein von den USA eingesetztes Gremium werde alles tun, um das Land mit diesen Mitteln „in eine demokratische Zukunft zu führen“, bedankte er sich bei den Gebern. Die desolate Lage des Irak schrieb er ausschließlich der Diktatur Saddam Husseins zu. „Die Infrastruktur wurde zerstört, die Fachkräfte haben das Land verlassen.“ Die Folgen des Krieges der US-Allianz erwähnte er mit keinem Wort.

Für eine gewisse Debatte auf der eintönigen Veranstaltung sorgte ausgerechnet der IWF-Chef Horst Köhler. Er forderte „eine Umschuldung für den Irak“, um „die Schuldenlast erträglich zu machen“. Nach seinen Angaben steht der Irak mit 120 Milliarden Dollar in der Kreide. Hinzu kommen Reparationsforderungen in zweistelliger Milliardenhöhe aus dem Kuwait. Für die NGOs, die parallel zur Madrider Konferenz getagt haben, sind „diese Schulden schlicht und ergreifend unbezahlbar“, so ihr Sprecher Jürgen Kaiser.

Die größten Gläubiger allerdings wollen von einem Schuldenerlass nichts wissen. Bagdad steht mit 16 Millarden Dollar bei Russland in der Kreide, mit 8 bei Frankreich, mit 5 bei den USA und mit 4,4 Milliarden bei Deutschland. Bundesfinanzminister Hans Eichel und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul haben einen Schuldenerlass immer wieder abgelehnt. Der Irak sei dank seines Ölreichtums in der Lage, allein wieder auf die Beine zu kommen, so ihre Begründung.