Australiens Wähler im Geldregen

Vor den Parlamentswahlen am Samstag machen die Konservativen unter Premierminister und Bush-Freund John Howard die größten Wahlversprechen. Es wird ein knappes Ergebnis erwartet, doch am Ende könnte es für Howard noch einmal reichen

Howards Beteiligung am Irakkrieg gilt für die Wahl nicht als entscheidend

Aus MelbourneBORIS B. BEHRSING

„Hallo Jenny, du wirst am Telefon verlangt“, ruft Farmer Ken seiner Frau zu. „Wer ist denn da?“ – „Der Premierminister, und er will dir sagen, wie du am Samstag wählen sollst.“ Das ist die letzte und bisher in Australien unbekannte Wahlkampfwaffe der seit 1996 amtierenden liberalkonservativen Regierung von John Howard. Die politischen Gegner schimpfen: „Das ist sträflicher Telefon-Spam, ein Eindringen in unsere Privatsphäre.“ Oppositionsführer Mark Latham legte gegen die neue Werbung beim Wahlamt Beschwerde ein.

Nach sechs Wochen intensiven Wahlkampfes sind die Australier der Flut von Versprechen müde und nur noch zynischer geworden. Beobachter sehen in der Wahl für das Repräsentantenhaus und den halben Senat den bitteren Kampf des überaus gewieften Oldtimers John Howard, 65, der die konservative Koalition aus Liberalen und Konservativen führt, und seines jungen Herausforderers, des Neulings Latham von Labor. Der 43-jährige Exbürgermeister der Sydneyer Vorstadt Liverpool hat zwar gute Visionen und ansprechende Pläne, bleibt aber für viele undurchsichtig.

Als besonders wirksame Waffe nutzte Howard die von ihm geschürte Angst, unter Labor würden die Hypothekenzinsen steigen. In den Vororten der Metropolen, auch Hypothekengürtel genannt, haben sich viele Familien ihren Traum vom eigenen Heim mit hohen Schulden erkauft. Zinssteigerungen könnten für viele den Traum beenden. Dass die Zinsen von der unabhängigen Zentralbank und nicht der Regierung festgesetzt werden, ging in der Hitze des Wahlkampfes unter.

Die letzten Umfragen zeigen die Koalition vor Labor. Laut der Zeitung The Age würden 52 Prozent der Wähler für Liberale oder Nationale stimmen, 48 Prozent für Labor. Trotz der Kritik an seiner mangelnden Wahrheitsliebe ziehen 52 Prozent der Befragten Howard vor, während Latham nur auf 40 Prozent kommt. Daran ändert auch nichts, dass Howards Regierung noch immer nicht bereut, Truppen in den Irak geschickt zu haben, Bootsflüchtlinge und deren Kinder unbefristet hinter Stacheldraht hält und Kommandos für Präventivschläge gegen Terroristen in Nachbarländer schicken will.

Zwar verspricht Labor, die verbliebenen 850 australischen Soldaten bis Weihnachten aus dem Irak zurückzuholen. Doch für die meisten Wähler dürften die vielen Versprechen, das notleidende Gesundheits- und Schulsystem sowie die Kinderbetreuung zu verbessern, für Kleinunternehmen die Steuern zu senken und den Rentnern finanziell zu helfen, wichtiger sein. Howard und Latham versuchten sich in ihren Versprechen gegenseitig zu übertreffen.

Denn der künftige Premier kann aus dem Vollen schöpfen. Wegen üppiger Steuereinnahmen wird der Haushaltsüberschuss für die kommenden vier Jahre über 15 Milliarden Euro betragen. „Es ist dann schon besser, bei dem Teufel zu bleiben, den man kennt“, ist ein heute in Australien oft gehörter Ausspruch. Den „Aussies“ ging es wirtschaftlich schon lange nicht mehr so gut wie heute. Das nimmt Howard für sich in Anspruch, der auch die größten Versprechen macht. Fast sechs Milliarden Euro Mehrausgaben für die kommenden Jahre versprach er den 13 Millionen Wählern.

Die letzte Schlacht dieses Wahlkampfes wurde in den Wäldern auf der Insel Tasmanien geschlagen. Dort sagten Howard und Latham den Baumfällern die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze bei gleichzeitiger Einschränkung für das Abholzen freigegebener Waldgebiete zu. Die dortigen Wälder bestehen aus den höchsten Bäumen des Landes, die bis zu 500 Jahre alt sind. Die Abholzung für den Export nach Japan und die Zerstörung des Lebensraums bedrohter Tierarten ist ein sehr emotionelles Thema. Seit der weißen Besiedlung des Kontinets wurde bereits die Hälfte dieses Baumbestandes abgeholzt.

Durch sein besseres Angebot für den Schutz der Bäume und der Arbeitsplätze sicherte Latham den Labor-Kandidaten die Präferenzstimmen der aufstrebenden Grünen unter Bob Brown. Dies könnte Labor vor allem in jenen Wahlkreisen helfen, in denen die Regierungsparteien nur knapp vorn liegen. Denn nach australischem Recht müssen die Wähler neben ihrer Erststimme auch auf jeden anderen Kandidaten eine Präferenzstimme verteilen, was das Ergebnis beeinflusst. Aber im eher konservativ wählenden Australien ist seit 1949 überhaupt erst viermal eine Regierung abgewählt worden. Und dann nur, wenn die Opposition in der Popularität weit vorn lag. Das ist nicht der Fall.