Krank und klein – nicht daheim?

Auf kranke Kinder hat sich ein Pflegedienst in Sulingen spezialisiert. Jetzt weigert sich die AOK, die Fahrtkosten zu tragen. Die Kleinen könnten von jedem Dienst versorgt werden

Sulingen taz ■ Zuhause statt im Krankenhaus: Das ist in den Kreisen Diepholz, Nienburg und Minden auch für die jüngsten PatientInnen möglich. Frühchen, Behinderte und Knirpse, die nach einem schweren Unfall Pflege brauchen, können hier seit 1989 die Hilfe des auf Kinder spezialisierten ambulanten Pflegedienstes „Krank und klein – bleib daheim“ nutzen. Für einige soll damit jetzt Schluss sein: Der Pflegedienst wird die Versorgung aller Kinder, die bei der AOK versichert sind, zum 1. November einstellen. Denn im Gegensatz zu anderen Krankenkassen will diese die Fahrtkosten der Kinderkrankenschwestern nicht mehr voll tragen. Statt bisher 30 Cent pro Kilometer will die AOK nur noch 3,21 Euro für jeweils 20 Kilometer zahlen, maxima aber bis zu 60 Kilometer.

Zu wenig, argumentiert Pflegedienstleiterin Heike Witte. Denn ihre Krankenschwestern haben häufig noch längere Anfahrtswege. Und auch bei geringeren Entfernungen würde sich der neue Kostensatz nicht rechnen. Witte befürchtet, dass der Spar-Beschluss der AOK nach hinten losgeht. „Dann kommen die Kinder wieder häufiger ins Krankenhaus.“ Und das käme die Kassen schließlich wesentlich teurer.

„Das ist auch ein wenig Panikmache“, kontert Oliver Giebel von der AOK. Natürlich habe man bereits für Ersatz gesorgt: Falls „Krank und klein“ tatsächlich den Dienst einstelle, werde der kranke Nachwuchs künftig von „normalen“ Pflegediensten mitversorgt. Die gibt es in vielen Orten in Niedersachsen – allerdings pflegen sie in der Regel erwachsene PatientInnen.

Eine Umfrage habe ergeben, dass flächendeckend Kinderkrankenschwestern beschäftigt seien, die die Aufgaben von „Krank und klein“ übernehmen könnten, sagt Giebel. Er verspricht: „Die Kinder bekommen weiterhin die allerbeste Versorgung.“ Aber eben eine, die weniger kostet. Bei vielen ambulanten Pflegediensten sind Fahrtzeit und Kilometergeld nämlich bereits im Pflegepreis enthalten.

Bei „Krank und klein“, kritisiert die AOK, stimme auch das Verhältnis nicht: bis zu drei Stunden Fahrt, um eine Stunde zu pflegen. „Wir wollen, dass Zeit und Geld in die Pflege und nicht in Anfahrten gesteckt werden“, sagt Giebel und plädiert für eine „ortsnahe Versorgung“ der Kinder.

Witte bezweifelt hingegen, dass gewöhnliche Pflegedienste die Kinder adäquat versorgen könnten. Ihre Mitarbeiterinnen, wirbt sie, hätten über Jahre hinweg wichtiges Spezialwissen erworben – etwa die Mundstimulation, die Frühchen zum Trinken anregen soll. Den Kinderkrankenschwestern der anderen Dienste fehle dieses Wissen und Routine, sagt Witte. Schlechte Erfahrungen habe man bereits gemacht: So sei ein Kind, das „Krank und klein“ an einen normalen Pflegedienst abgegeben habe, mit Atemstillstand ins Krankenhaus gekommen – die Atemtherapie wurde von der Pflegerin nicht richtig durchgeführt. „Ich warte nur darauf, dass die erste Katastrophe passiert“, sagt Witte und hofft, dass die AOK doch noch einlenkt. Dorothea Siegle