Vom KP-Sekretär zum Biobauern

Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Renate Künst fährt nach China, um dort die Biolandwirtschaft zu fördern. Sie wirbt damit für ein Luxusgut

In China gibt es schon heute zahlreiche Bio-Label, die jedoch eigentlich keine sind

PEKING taz ■ Gewöhnlich sind Bauern in China arm, doch Jia Tinghe – rotblaue Trainingsjacke, schwarz glänzende Lederschuhe – ist für seine Verhältnisse reich: „Biogemüse ist wie Mercedes oder BMW“, erklärt der 55-jährige Geschäftsführer des Biohofs Liuminying im Kreis Daxing bei Peking. „Die guten Marken sind so teuer, dass nur wenige sie sich leisten können.“

Jia ist stolz darauf. Sein Hof bedient mit seinen 68 Gemüsesorten, von Chinakohl bis Peperoni, von Cocktail-Tomaten bis Yams-Wurzel, nur die besten Kaufhäuser Pekings. Dafür liefert er Ware mit Chinas anspruchvollstem Bio-Zertifikat: „Unsere Auszeichnung vom chinesischen Umweltministerium entspricht der deutschen BCS-Öko-Garantie“, erklärt Jia.

Früher war er Parteisekretär im Nachbardorf Baimiao. Dass er seine Parteikarriere aufgeben konnte, um Biobauer zu werden, verdankt er nicht zuletzt der deutschen Entwicklungshilfe, die sechs Jahre lang den Aufbau eines Bio-Marken-Standards in China förderte und im vergangenen Jahr Erfolg melden konnten: Da wurde der chinesische OFDC-Standard (Organic Food Development Center), dem auch Bauer Jia folgt, beim internationalen Verband der Biobauern (Ifoam) weltweit anerkannt.

Erstmals kann sich der chinesische Verbraucher nun sicher sein, bei einer als „organisch“ gekennzeichneten Ware auch wirklich Pestizid- und Kunstdünger-freie Nahrungsmittel zu kaufen. Denn schon gibt es in China zahlreiche Bio-Labels, die keine sind. Selbst das „Green Food“-Zertifikat des Landwirtschaftsministeriums gilt als sehr unzuverlässig. Nur alle drei Jahre müssen hier die Bauern Kontrollen über sich ergehen lassen. Bei Jia in Liuminying kommen die Inspektoren dagegen jedes Jahr. Nur ist das bisher die Ausnahme in China.

Renate Künast aber würde das gern ändern. Ab Sonntag ist die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erstmals in der Volksrepublik zu Gast. Offiziell zu verhandeln gibt es nicht viel, weshalb der Besuch mehrmals verschoben wurde. Aber nun lädt Künast zum „Fachsymposium ökologische Landbau und Lebensmittelsicherheit“ ins Pekinger Kempinski-Hotel, wo sie erklären will, warum China und Deutschland ein gemeinsames Interesse an gesünderen Lebensmitteln aus China haben.

Ein großes Unterfangen: 60.740 Klagen über verdorbene oder vergiftete Lebensmittel wurden im letzten Jahr bei Chinas Verbraucherschutzbehörden eingereicht. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres stieg die Zahl der beim Gesundheitsministerium gemeldeten Lebensmittelvergiftungen um 180 Prozent auf 4.700 Fälle. Die Zahl der Todesopfer stieg im gleichen Zeitraum um 60 Prozent auf 97.

Hinter den Angaben verbirgt sich eine nicht abreißende Kette von Lebensmittelskandalen in China: Babymilchpulver ohne Nährwert kostete im April 12 Kleinkinder in der Provinz Anhui das Leben, über 200 Kinder litten dort an starker Unterernährung. Mit Industriealkohol vergifteter Schnaps forderte noch im Mai in der Großstadt Guangzhou 9 Tote, vor Jahren hatte ein ähnlicher Fall 27 Menschenleben gefordert. Fast täglich berichten die Medien von neuen Vergiftungen: ob Reis, Glasnudeln, Schinken oder Mondkuchen – es scheint, als hätte jedes Nahrungsmittel schon einen Giftskandal erlebt.

Kürzlich kontrollierte die seit März 2003 bestehende Behörde für Lebensmittelsicherheit (State Food and Drug Administration) 10.000 fleischexportierende Betriebe: 2.500 mussten sofort schließen, 3.000 bekamen neue Auflagen. Entsprechend ist der Ruf chinesischer Lebensmittelsicherheit, den Künast verbessern helfen will.

Doch was geht das Problem die Deutschen an? „Wir in Europa wollen nicht Chinas Schrott verzehren“, heißt es unter deutschen Diplomaten. Sie erinnern an das jüngst ausgelaufene EU-Importverbot für Honig und Shrimps aus China. Peking soll daraus die Lehre ziehen, die eigene Lebensmittelsicherheit zu verstärken. Das könnte den Handel intensivieren, sagen die Deutschen. Und die Gegenseite? Sie hört gern zu und lässt wissen, dass der ökologische Landbau in China eine große Zukunft hat.

Aber hat er sie wirklich? Bauer Jia in Liuminying hat schon 160 Angestellte. Vielleicht fährt er bald BMW oder Mercedes. So ist das eben heute mit der Biowirtschaft in China: Sie dient den oberen zehntausend. Künast im Kempinski wohl auch.

GEORG BLUME