Britische Geisel im Irak offenbar tot

Ein Video zeigt, wie der 62-jährige Kenneth Bigley von einem seiner Entführer enthauptet wird. Britische Regierung wollte mit den Extremisten nicht verhandeln

DUBLIN taz ■ Der Ingenieur Kenneth Bigley, der am 16. September von der Organisation des militanten Jordaniers Abu Mussab al-Sarkawi entführt worden war, ist offenbar am Donnerstagnachmittag im 35 Kilometer von Bagdad entfernten Latifija geköpft worden. Die Entführer veröffentlichten gestern ein Video, auf dem Bigley eine Erklärung verlas, bevor seine Entführer ihm den Kopf abschnitten. Ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters konnte dieses Video sehen. Die Nachricht, er sei am Donnerstagnachmittag in Latifija enthauptet worden, wurde gestern laut Reuters von Aufständischen in Falludscha verbreitet. Sie sagten nicht, woher sie ihre Informationen hatten. Die beiden US-Amerikaner Eugene Armstrong and Jack Hensley, die gemeinsam mit Bigley entführt worden waren, sind bereits vor drei Wochen enthauptet worden.

Für den 62-jährigen Bigley hatte sich auch der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi eingesetzt. Am Dienstag hatte die irische Regierung ihm einen Pass ausgestellt, weil seine Mutter in Dublin geboren ist. Ein Foto des Dokuments wurde noch am selben Abend im arabischen Fernsehsender al-Dschasira gezeigt. Bigleys Bruder Paul, der den Passantrag in der irischen Botschaft in Den Haag gestellt hatte, glaubte, dass Bigley als Ire bessere Chancen hätte. Die irische Regierung war gegen den Irakkrieg, gestattete den US-Kampfflugzeugen jedoch das Auftanken auf dem westirischen Flughafen Shannon.

Paul Bigley hatte die britische Regierung vorige Woche scharf kritisiert. Auf einer Rahmenveranstaltung des Labour-Parteitages, zu der er per Telefon aus den Niederlanden zugeschaltet war, sagte er, das Schweigen des britischen Premierministers Tony Blair sei „das Todesurteil“ für seinen Bruder. „Wir haben lediglich darum gebeten, ein lausiges Fax zu schicken“, sagte Paul Bigley. „Wir verlangen von der Londoner Regierung ja gar nicht, zu verhandeln, sondern lediglich zu kommunizieren.“

Anfang der Woche kam das Gerücht auf, Bigley sei an eine moderatere Organisation verkauft worden. Es sollte sich um dieselbe Gruppe handeln, die vor einer Woche zwei italienische Geiseln freigelassen hat. Bigleys Familie hoffte, dass sie lediglich ein Lösegeld fordern würde. Al-Sarkawi hatte dagegen die Freilassung aller weiblichen irakischen Gefangenen aus der US-Haft verlangt. Im Irak sitzen allerdings nur zwei Frauen ein, die im Zusammenhang mit dem irakischen Programm für Massenvernichtungswaffen festgenommen, aber bisher nicht angeklagt wurden.

Blair hatte es stets abgelehnt, mit den Geiselnehmern zu verhandeln. Bigley hatte in Videobotschaften, die von al-Dschasira ausgestrahlt wurden, an den Premier appelliert, sich für sein Leben einzusetzen. „Ich bitte Sie um mein Leben, haben Sie Mitleid“, sagte Bigley in einem vorige Woche veröffentlichten Video. Bigleys Tod wird den Druck auf Blair erhöhen. Auch in seiner Partei meinen viele, er habe nicht genug für Bigleys Freilassung getan. RALF SOTSCHECK