Kölner Hilfsprojekt für Frauen im Kosovo

„Medica Kosova“ unterstützt seit fünf Jahren besonders Opfer sexueller Gewalt. Psychosoziale Betreuung fehlt völlig

KÖLN taz ■ Hilfsorganisationen schätzen, dass 15.000 Frauen und Mädchen während des Kosovo-Konfliktes vergewaltigt und sexuell gefoltert worden sind. Von seelischen und sozialen Folgen und somatischen Erkrankungen der betroffenen Kosovarinnen berichtete jetzt Monika Hauser, Gründerin des Kölner Hilfsprojektes Medica Mondiale. Die Organisation unterhält Frauen-Projekte in Bosnien, dem Kosovo, Albanien und Afghanistan.

Allein in das Kosovo-Projekt sind in fünf Jahren 4,7 Millionen Euro Spendengelder geflossen. Dort sind inzwischen 35 Kosovarinnen als Medica-Mitarbeiterinnen tätig. Sie wurden von Medica zur psychosozialen Beraterin für Frauen qualifiziert, ein Berufsbild, das es im Kosovo nicht gab. Ihre wichtigste Aufgabe: Sie fahren in Dörfer, um nach Überzeugungsarbeit mit den Clan-Führern dauerhaften Kontakt zu den Dorfbewohnerinnen aufbauen zu können. Diese erhalten Medikamente und Behandlungen, aber auch langfristige psychosoziale Betreuung. Bisher wurden 8.300 Kosovo-Albanerinnen gynäkologisch untersucht und behandelt. Weitere Aufgaben: Aufklärung über Sexualität, HIV, Verhütung und Gewalt in Radiosendungen, sowie Rechtsberatung.

Belgrads Krieg gegen die Unabhängigkeit der Kosovo-Albaner forderte 1999 auf albanischer Seite etwa 4.000 Todesopfer. Der instabile Status der Provinz Kosovo, die unabhängig sein will, aber zu Serbien gehört, bewirkt, dass sie von der Regierung in Belgrad nicht unterstützt wird: Investitionen bleiben ebenso aus wie die Zivilisierung des Alltagslebens. Die psychischen Folgen der Kriegsgewalt haben die wenigsten Frauen und Mädchen bisher aussprechen oder gar aufarbeiten können. Denn Sexualität und sexuelle Gewalt sei ein völlig tabuisiertes und vom geltenden patriarchalen Ehrenkodex unterdrücktes Thema, sagt Monika Hauser.

Außerdem habe die häusliche Gewalt nach dem Ende des Krieges zugenommen, da auch die Männer vom Krieg traumatisiert seien: zwei Drittel der Kosovo-Albanerinnen seien Opfer familiärer Gewalt. Die Arbeitslosigkeit sei noch höher geworden, seit internationale Hilfs-Organisationen das Land wieder verlassen hätten. Sie läge bei 70 bis 80 Prozent. Die Hälfte der Bevölkerung lebt an der Armutsgrenze, ein Hungerwinter drohe, außerdem sind die Müttersterblichkeit und die Tuberkulose-Gefahr sehr hoch: Monika Hausers Organisation ist ständig auf neue Spender–Innen angewiesen.

CORNELIA GÜRTLER

www.medicamondiale.org