Wirre Aussagen

79-jähriger Hauptbelastungszeuge gefährdet beim Münchner Kriegsverbrecherprozess die Anklage

MÜNCHEN taz ■ Die Freude der Staatsanwaltschaft währte nur kurz: Im Prozess gegen den vermeintlichen Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky erschien gestern zur allgemeinen Überraschung einer der Hauptbelastungszeugen. Eigentlich hatte der 79-jährige Slowake Jan Repasky nur per Videokonferenz in seiner Heimat aussagen wollen. Auf ihn setzten die Ankläger besonders große Hoffnungen, weil Repaski gemeinsam mit Niznansky in der Einheit „Edelweiß“ gedient hatte, die im Januar 1945 mit der deutschen Wehrmacht für mehrere Massaker in der Slowakei verantwortlich gewesen sein soll, bei denen 164 Zivilisten umgebracht wurden.

Repasky verwechselte jedoch so viele Orte, Namen, Dienstränge und zeitliche Abfolgen, dass seine Aussagen kaum verwertbar sein dürften. Zudem rückte er von einer früheren Aussage ab, dass Niznansky 20 Zivilisten eigenhändig erschossen habe – „ich kann mich nicht mehr erinnern“. Dagegen warf er dem Angeklagten vor, ihn selbst zur Beteiligung an dem Massaker gezwungen zu haben: „Er hat gedroht, mich sonst zu erschießen.“ Ob Niznansky bei den Morden anwesend war, konnte der Zeuge nicht mehr sagen: „Ich kann mich an keinen der Mordschützen erinnern.“ Außer einem: Er selbst habe, sagte Repasky, bei dem Überfall auf die Dörfer Ostry Grun und Klak mehrere Menschen erschossen – in der Annahme, es seien Partisanen. Niznanskys Verteidiger, der Münchner Anwalt Steffen Ufer, nannte Repaskys Aussagen „altersbedingt wirr“ und verlangte die sofortige Haftentlassung seines 86-jährigen Mandanten.

Für die Staatsanwaltschaft wird es immer schwerer, eine unmittelbare Tatbeteiligung von Niznansky zu beweisen. Allzu sehr haben sich die Ankläger offenbar auf Zeugenaussagen aus einem Verfahren in der Tschechoslowakei verlassen, bei dem Niznansky 1962 in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde.

Jedoch haben mehrere Zeugen übereinstimmend in München erklärt, dass sie damals zu ihren belastenden Aussagen gezwungen worden seien. Zugleich bestritten sie damit auch ihre eigene Beteiligung an den Massakern, sodass Gericht und Staatsanwaltschaft die Angaben bezweifeln. Für Aufklärung über den Prozess von 1962 soll morgen ein weiterer Zeuge sorgen, der damals als Staatsanwalt in Banska Bystrica die Anklage vertreten hat. JÖRG SCHALLENBERG