Ohne Meinung

Hamburgs CDU uneins über Unterschriftenaktion gegen Türkei in der EU. Schweigender Bürgermeister in der Kritik

Die Hamburger CDU bezieht keine klare Stellung zu dem umstrittenen Vorstoß ihrer Bundesspitze, eine Unterschriftenaktion gegen einen EU-Beitritt der Türkei anzuzetteln. Es gebe dazu in der Hamburger CDU „keine Beschlusslage und keine Meinungsbildung“, sagte der Landesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus gestern. Im Landesverband sehe er „keine Meinungstendenz“. Einzelne in der Union der Hansestadt hätten „gut hörbare und akzeptable Argumente“ dafür und dagegen. „Ich halte bei uns eine kontrovers geführte Diskussion für vorstellbar“, so Alhaus. Weil sich Bürgermeister Ole von Beust derweil ausschweigt, erntete er heftige Kritik der Gewerkschaften.

„Ich kann die Aufregung um die Unterschriftensammlung nicht verstehen“, sagte Alhaus. Gerade „Leute, die stets das plebiszitäre Element stärken möchten“, wollten nun nicht hören, was die Menschen dazu sagen: „Man kann das Volk nicht nur dann befragen, wenn es einem in den Kram passt.“ Wenn das Thema EU-Beitritt der Türkei bei einer Unterschriftensammlung „volksnah“ diskutiert werde, könne sich laut Ahlhaus zwar auch ein „Zungenschlag“ ergeben, den man nicht wolle. Doch deshalb die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel „als Brandstifterin zu kritisieren, geht zu weit“.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses in Berlin und Hamburger Bundestagsabgeordnete, Volker Rühe (CDU), ist etwas kritischer: „Wenn eine solche Aktion durchgeführt wird, besteht die Gefahr, dass Leute an die CDU-Infostände kommen und fragen: Wo kann ich gegen Türken unterschreiben?“ Merkel hatte den Vorstoß der Unionsspitze am Montagabend erneut verteidigt. Die EU würde durch die Aufnahme der Türkei überfordert, sagte sie. Sollte die rot-grüne Bundesregierung in der Frage des Türkei-Beitritts nicht „ergebnisoffen“ verhandeln, behalte sie sich vor, dagegen Unterschriften zu sammeln.

CDU und CSU dürften „nicht mit dem Feuer spielen“, warnte daraufhin die Hamburger Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. „Eine Unterschriftensammlung gegen den EU-Beitritt der Türkei würde von manchen als Aktion gegen ,die Türken‘ aufgefasst und von Neonazis als Ermutigung verstanden werden“, kritisierte Vize-Landesbezirksleiterin Ingrid Pöhland. Viele Migranten und ausländische Arbeitnehmer würden die „dreiste“ Aktion „als Missachtung ihrer positiven Beiträge für das Zusammenleben und -arbeiten in Deutschland und Europa werten“. Als Bürgermeister habe Ole von Beust die Pflicht, „die ausländischen Mitbürger in Schutz zu nehmen, auch gegen Dummheiten seiner Parteiführung“.

Auch die Grüne Jugend Hamburg rief von Beust in die Pflicht und erinnerte daran, dass sich der Bürgermeister in der Vergangenenheit erfreut über eine Beitrittsperspektive für die Türkei geäußert hatte. „Wenn sich von Beust noch nicht einmal innerhalb seines eigenen CDU-Landesverbandes durchsetzen kann“, rügte Schatzmeister Anjes Tjarks, „wollen wir auch keine pro-türkischen PR-Gags mehr erleben.“ dpa/wei

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