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: Baseball-Oldie zähmt den Gorilla

Es war schon eine verdammt große Last, die Roger Clemens von den Schultern fiel, als seine Houston Astros am Montag mit einem 12:3-Sieg im fünften Spiel die Serie gegen die Atlanta Braves gewonnen hatten und ins Halbfinale der Major League Baseball (MLB) gegen die St. Louis Cardinals eingezogen waren. „Das ist es, weshalb ich hierher gekommen bin“, sagte die unverwüstliche Pitcher-Legende, an diesem Tag zur Untätigkeit verdammt, erleichtert. Am Abend zuvor hatte es der 42-Jährige verpasst, die Serie höchstselbst zu entscheiden. Zwar warf er nach nur drei Tagen Ruhepause glänzend, ließ in fünf Innings nur sechs Hits zu und verließ das Feld bei einer 5:2-Führung. Doch seine Ersatzleute machten daraus noch ein 5:6, es war die erste Heimniederlage der Astros nach 19 Spielen. Ihr Schicksal stand wieder auf der Kippe.

Das heißeste Team der zweiten Saisonhälfte in der MLB ließ sich jedoch nicht beirren und machte die Sache eben auf dem Turner Field von Atlanta perfekt. Vier Siege gegen St. Louis fehlen Houston noch, dann stehen sie in der World Series – möglicherweise gegen die New York Yankees, jenes Team, von dem sich Clemens vergangene Saison so tränenreich verabschiedet hatte. In Spiel 4 der World Series hatten ihm in Miami sogar die Fans des späteren Champions Florida Marlins gerührte Ovationen dargebracht, als er seine vermeintlich letzten Bälle geworfen hatte. Ein geplanter Start bei Olympia entfiel, weil sich die USA gar nicht für Athen qualifizierten, dennoch blieb Clemens dem Baseball erhalten. Ziemlich überraschend unterschrieb er einen Vertrag in Houston, seiner Heimatstadt.

Lange Zeit sah es nicht so aus, als sei der Verbindung Glück beschieden, die Astros starteten miserabel in die Saison. Nachdem jedoch mit Phil Garner ein neuer Manager gekommen war, wurden 36 der letzten 46 Partien gewonnen, und am vorletzten Spieltag schnappte Houston dem Homerun-König Barry Bonds und seinen San Francisco Giants noch die Wildcard der National League weg. Nachdem Atlanta, der „900-Pfund-Gorilla“ (Garner), aus dem Weg geräumt ist, wird ein weiterer World-Series-Auftritt von Roger Clemens immer wahrscheinlicher. Aber egal, ob dann als Gegner die Yankees oder deren Kontrahenten im Finale der American League, die Boston Red Sox, auf dem Platz stehen – Ovationen für Clemens wird es in deren Stadien diesmal sicher nicht geben. MATTI LIESKE