„Ach, ich bin Rentner“

Vor zwei Jahren hat Wolf von Lojewski sein warmes Plätzchen im „heute-journal“ gegen „Abenteuer Wissen“ eingetauscht. Ein Gespräch über die Kälte und das Alter („Es geschah im Eis“ (22.15 Uhr, ZDF)

INTERVIEW JAN FREITAG

taz: Herr von Lojewski, haben Sie eigentlich Angst vor großen Tieren?

Wolf von Lojewski: Was die Tierwelt angeht, schon.

Vor Eisbären etwa, wie in „Es geschah im Eis“.

Genau. Und im übertragenen Sinne: Vor wem soll ich Angst haben? Ich bin ja ein Dinosaurier aus jener Generation, in der meine Vorgesetzten mehr Angst vor Leuten wie mir hatten als umgekehrt. Das waren die unruhigen Sechziger- und Siebzigerjahre, wo wir Jüngeren immer auf alles die Antwort wussten.

Die Zeiten sind zahmer geworden?

Ich glaube, ja. Wenn ich auf Jüngere schaue, die sind nett, aufmerksam, aber pflegeleichter.

Sie wünschen sich einen schärferen Ton im Fernsehjournalismus.

Das ist der falsche Begriff. Meine Generation hatte Eltern, denen so derart die Sicherungen durchgebrannt sind, dass die sich danach nicht mehr trauten, ihre Meinung zu sagen. Mir sind Journalisten lieb, die auch mal ungezogen waren, aber es sollte keine grundsätzliche Renitenz sein. Menschen, die zu brav sind, sind kein gutes Abwehrmittel, wenn plötzlich alle Unsinn reden, wenn die ganze öffentliche Diskussion in eine merkwürdige Richtung geht. Also ein bisschen Respektlosigkeit gehört dazu.

Trifft Respektlosigkeit auch auf Formate wie „Der Heiße Stuhl“ zu?

Nein, es geht um den Mut, auch mal hohe Tiere mit respektlosen Fragen zu überraschen. Aber es muss einen ernsten Hintergrund geben, nicht nur darum gehen, jemand aus dem Ruder zu bringen. Es muss echte, freche Neugier dahinterstecken.

Die braucht Selbstvertrauen.

Das verlange ich von einem Reporter. Wer nur daran denkt, dass er nicht aneckt, hätte auch in eine Behörde gehen können.

Nun haben Sie sich auch eine Position erarbeitet, in der man mehr Freiheiten hat.

Ja, aber auch das muss man sich erkämpfen.

Sie sind nun seit fast zwei Jahren nicht mehr im Nachrichtengeschäft.

Quasi pensioniert.

Vermissen Sie die politische Bühne?

Nein, die kann ich auch gut als Zuschauer verfolgen. Ich vermisse manchmal die Familie, die Redaktion. Ich habe ja in elf Jahren mehr Zeit mit den Kollegen im „heute-journal“ verbracht als zu Hause.

Was verbindet ihren alten mit dem neuen Job?

Ich genieße es, an einem Thema länger dranzubleiben, dass ich mich mehr rumtreiben kann. Wer eine Redaktion mit 40 Kollegen leitet, kann sich dagegen nicht weit von der Basis entfernen.

Dafür müssen Sie das wissensmüde Publikum für Wissen begeistern.

Ach, da gibt es gute Möglichkeiten. Das ZDF hat Umfragen gemacht, da wurde durchaus Interesse – auch von jungen Leuten – festgestellt, sich um 22.15 Uhr mit wissenschaftlichen Fragen zu beschäftigen. Man darf natürlich nicht nach zehn Minuten abschlaffen. Ich glaube, dass das Fernsehen seine Zuschauer da bislang ein wenig unterfordert hat.

Klingt nach Zweckoptimismus. Medienwissenschaft und Feuilleton behaupten einhellig, das Niveau im deutschen Fernsehen habe sich radikal verschlechtert.

Wissen Sie, als ich jünger war, dachte ich die Formel zu finden, die Welt zu verbessern. Und jetzt hab ich’s aufgegeben, das Fernsehen insgesamt zu verbessern. Ich versuche einfach, was ich mache, interessant zu machen. Und laut Umfragen haben wir einen überdurchschnittlichen Erfolg gerade bei Jüngeren.

Wie stehen Sie zum Thema Verflachung?

Ich hoffe, das ist eine Zeiterscheinung. Dass Leute sich in Kuhfladen herumwälzen – dafür ist Fernsehen zu schade. Ich will nicht sagen, dass man so was nicht mal machen kann, aber nur Gruppen die Programmgestaltung zu überlassen, die an niedere Instinkte appellieren, ist eine vergeudete Chance.

Nimmt der Sender Einfluss, damit es auch bei Ihnen knallt?

Eigentlich nicht. Und ich bin da als Moderator ein beruhigendes Element. Wann immer eine Formulierung kommt wie ‚die Spannung steigt ins Unermessliche‘, dann sag’ ich ‚Leute, lasst uns ein bisschen Gas wegnehmen‘. Ich gebe zu, dass wir auch Themen nehmen wie moderne Kriminalistik, dann aber auch dreimal aus Museen senden. Und die waren gut eingeschaltet.

Was heißt gut?

So 2,7 Millionen Zuschauer und knapp zehn Prozent Quote bei Jüngeren.

Hat man Ihnen da ein Minimalziel gesteckt?

Ach, wer soll mir ein Ziel stecken – ich bin Rentner.