65 Jahre gegen 49 Jahre

Jörg Schönbohm (alt, CDU, Westen) kämpft mit reaktionären Tönen gegen den jungen SPD-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck: Der galt zu früh als Hoffnungsträger

BERLIN taz ■ Matthias Platzeck ist 49 Jahre alt. Jörg Schönbohm 65. Damit dürfte die Frage der Zukunftsfähigkeit des SPD-Ministerpräsidenten und des CDU-Innenministers, die beide die Landtagswahl im kommenden Jahr gewinnen wollen, schon geklärt sein. Eigentlich. Aber hier geht es um Brandenburg.

In Brandenburg passiert seit ein paar Jahren etwas Neues – und das hat tatsächlich mit Schönbohm zu tun. Einmal denkt er laut über Folter bei Terrorgefahr nach, ein anderes Mal unterzeichnet er einen Brief an den US-Präsidenten, in dem er den Bundeskanzler kritisiert. Dann wieder macht er den offenen Umgang des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), mit seiner Homosexualität verantwortlich für die niedrige Geburtenrate in der Hauptstadt. Zuletzt forderte Schönbohm allen Ernstes Fußfesseln, nicht für Strafgefangene, sondern für Schulschwänzer.

Mit einer ähnlichen Masche agierte Schönbohm Mitte der 90er schon als Berlins Innensenator. Dort blieb er mit seinen reaktionären Tönen ein Fremdkörper und floh 1999 nach Brandenburg. Warum hat der ehemalige Bundeswehrgeneral hier Erfolg? Er füllt eine Lücke, die aufriss, nachdem zwei Figuren abdankten, die Brandenburg in den 90er Jahren prägten: Die wie eine Heilige verehrte Regine Hildebrandt starb, und der langjährige Ministerpräsident Manfred Stolpe dankte ab. Die SPD schien bestens vorbereitet: Mit dem jungen Matthias Platzeck rückte 2002 ein bundesweit bekannter Politiker nach, der sich zudem im Oderwasser 1997 den Ruf eines „Deichgrafen“ erworben hatte. Platzeck, der mit wechselnden fotogenen Lebensgefährtinnen Öffentlichkeit auch jenseits der politischen Berichterstattung findet, hat gute Beliebheitswerte. Aber: Die alte SPD-Politik, Großprojekte plus Sozialpolitik, war erkennbar gescheitert.

Schönbohm hingegen kann Erfolge vorweisen. Nach der Wende war der Militär für die Überführung der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr zuständig: eine der reibungslosesten Operationen der Wiedervereinigung. In Brandenburg einigte er eine zerstittene CDU, setzte früh auf Sparpolitik und brachte zuletzt die lang überfällige Kommunalreform zu Wege.

Platzeck kann weniger vorweisen. Vor allem aber: Stolpe und Hildebrandt fehlen. Der Landesvater und die Mutterfigur stillten Bedürfnisse, die der Macher Platzeck nicht befriedigen kann. Bei Stolpe fühlten sich vom Kirchgänger bis zum PDS-Wähler alle Brandenburger emotional repräsentiert. Er mobilisierte Menschen, die sich noch immer nicht wie Bundesbürger fühlen. Platzeck hingegen spricht höchstens die Vernunft an und hat damit bei Gegenwind eingeschränkte Mobilisierungsfähigkeit. Schönbohms Klientel ist im roten Brandenburg sicher kleiner, diese aber aktiviert er nicht nur intellektuell: Seine holzschnittartig artikulierte Weltsicht bietet Identifikation, nicht nur ein kleineres Übel. ROBIN ALEXANDER