Wieder zu Haus

Die Kälte, das Tier

Als ich in Berlin-Tegel aus dem Flugzeug steige, staune ich über das diesige Grau – wer hat hier vergessen, das Licht einzuschalten? Drei Monate Brasilien liegen hinter, gefühlte drei Monate deutscher Winter vor mir. Die Kälte beißt sich wie ein kleines, hartnäckiges Tier in mein Gesicht und kriecht die braun gebrannten Beine hoch. Ich lache und schüttle sie ab – die getankte südamerikanische Sonne hält, noch.

Zu Hause rankt sich der Schimmel die Fensterfugen und Ecken hoch, mein Dschungel wurde von lieben Freunden fürsorglich ertränkt. Ich trage meine riesige Yuccapalme und ein halbes Dutzend Topfpflanzen zu Grabe. Die im Sommer heiß geliebte und im Herbst charmante Wohnung erkenne ich kaum wieder – wo ist die Helligkeit hin? Warum habe ich keine Vorhänge besorgt?

Nackt sehen die Räume aus, schutzbedürftig. Das von Mama geschenkte Schaffell finde ich in der hintersten Ecke meines Schranks. Die Dachterrasse streife ich mit sehnsüchtigem Blick, dann drehe ich die Heizung auf und suche nach dem Bubbelblasenzeugs für ein Schaumbad. Dann tritt der Kälte-Notfallplan in Kraft: rote Tulpen mitten auf dem Tisch, Squashspielen und Rotweinkuchen-Backen am Sonntag, Schwimmen am Montag und ab in die Sauna. Gemütliche Kaffeekränzchen mit Freunden, kuschelige Federbettdecken. Hmm. Geht doch. Die dicke Schicht Sheabutter im Gesicht hilft gegen das kleine Tier, das hartnäckig weiterbeißt. Die Karnevalsparty auch, schunkelnde Teufel und Scheichs wärmen sich gegenseitig. Und dann, nach ein paar Wochen: die ersten Sonnenstrahlen. Ein klarer blauer Abendhimmel, der mich von lauen Frühlingsnächten träumen lässt. Geht doch. MIRIAM JANKE