Statt Coltan deklariert man eben Zinn

Ostkongos Mineraliengeschäfte laufen schlecht. Händler sprechen von „Embargo“ – und exportieren trotzdem

GOMA taz ■ Die Firmengelände sind verwaist, die Büros leer geräumt. Noch vor zwei bis drei Jahren war Goma Zentrale des Handels mit ostkongolesischen Rohstoffen Richtung Ruanda und von dort auf den Weltmarkt – vor allem das in der Spitzenelektronik gefragte Erz Coltan, aber auch Gold und Diamanten. Heute, nach Jahren weltweiter Aufregung über diese angeblich „illegale“ Ausbeutung durch Ruanda und die mit ihm verbündeten Rebellen im Ostkongo, liegt das Geschäft am Boden. Welche Mineralienhandelsfirma man auch aufsucht – die Stimmung ist immer gleich schlecht.

Ein unerklärtes internationales „Wirtschaftsembargo“ habe Kongos Rohstoffe vom Weltmarkt verdrängt, schimpft ein Firmenchef. „Die UNO merkte, dass die Rebellen unflexibel sind, weil sie wirtschaftlich stark sind. Also kamen sie zu dem Schluss, dass man von ihnen nichts kaufen soll. Dieses Embargo hat unsere Partner verunsichert. Europäische Banken gewährten ihnen keine Kredite mehr, um unsere Produktion kaufen zu können.“

Ab Ende 2000 wiesen Presseveröffentlichungen, unter anderem in der taz, und unzählige Recherchen von NGOs darauf hin, dass ostkongolesische Kriegsteilnehmer sich durch den Verkauf von Rohstoffen finanzierten. Im April 2001 warf die UN-Kommission zur Untersuchung der illegalen Ausbeutung des Kongo erstmals direkt europäischen Unternehmen vor, mit dem Ankauf dieser Mineralien den Kongokrieg anzuheizen.

Während sich danach eine erregte internationale Debatte über „illegalen“ Handel entwickelte, rutschten die Weltmarktpreise für Coltan in den Keller. Branchenkenner führten dies auf ein Überangebot zurück, weil die Produktion stieg, während die Telekommunikationsbranche in die Krise schlitterte und die Nachfrage fiel. Aber die kongolesischen Händler halten sich für Opfer eines Komplotts. Ganze drei Mineralienhandelsfirmen sind noch in Goma aktiv, erklärt ein Offizieller der Provinzregierung von Nord-Kivu, dessen Hauptstadt Goma ist. „Die kleinen sind eingegangen, die großen halten noch durch.“

Um durchzuhalten, müssen die Händler noch illegaler werden, als sie es nach Meinung ihrer ausländischen Kritiker ohnehin schon sind. „Dieses Jahr hat noch überhaupt niemand Coltan exportiert“, mokiert sich ein Beamter und zeigt die offiziellen Exportstatistiken – altertümliche Bücher, in denen jeder Vorgang handschriftlich notiert wird. Dort steht immer nur „Cassiterit“ – Zinnerz, worin sich im Kongo üblicherweise Coltan findet. Zinn ist politisch unbedenklich; sein Export in den angegebenen Kleinstmengen wäre allerdings völlig unrentabel. „Sie werden im Exportregister auch nie Gold und Diamanten finden. Aber es wird weiter exportiert. Vor allem nachts.“

Die Händler, Schürfer und Bergbaubesitzer Ostkongos sind in Wartestellung. Denn die bislang in Goma herrschenden Rebellen der RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) sitzen jetzt in Kongos neuer Übergangsregierung. Wird diese Regierung die Handelsverträge und Bergbaukonzessionen anerkennen, die im Ostkongo während des Krieges galten? Solange das nicht geklärt ist, wird sich niemand langfristig engagieren.

Die Lücke füllen andere. Die neueste Mineralienhandelsfirma in Goma besteht aus einer Gruppe muskelbepackter junger Männer aus Nigeria, offiziell im Mobilfunkgeschäft tätig. Sie kaufen Coltan über dem Marktpreis. Ihre Abnehmer, sagen sie, sitzen in China.

„Hier wollen Leute Geld waschen“, schimpft ein Kongolese über die unerwünschte Konkurrenz. Ob Krieg oder Frieden, UN-Untersuchung oder nicht – der dubiosen Geschäftemacherei im Ostkongo sind keine Grenzen gesetzt. DOMINIC JOHNSON