Neue Impulse

Für Johannes Rau und Staatspräsident Aleksander Kwasniewski war‘s ein Festakt, für Kulturhauptstadt-Bewerbungsintendant Martin Heller ein Arbeitsbesuch: In Gdansk/Danzig wurde die Städtepartnerschaft mit Bremen mit dem Erich-Brost-Preis geehrt

Aus Gdansk BENNO SCHIRRMEISTER

Darf man von Lobbying sprechen, wenn die Schnittmenge zwischen Preisrichter-Gremium und Preisträger deutlich größer ist als null? Der mit 20.000 Euro dotierte Preis der Erich-Brost-Stiftung wurde gestern an die Städtepartnerschaft Gdansk-Bremen verliehen. Dem Bündnis die Ehrung zugesprochen hatte eine Jury, in der neben Bremens Ex-Bürgermeister Hans Koschnick auch der Gdansker Stadtpräsident Pawel Adamowicz saß. Ein Detail, das dem Namenspatron der Auszeichnung sicher missfallen hätte. Der im ehemaligen Danzig aufgewachsene Brost (1903–1995), der später Verleger und erster Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, hat den kritischen Journalismus der Nachkriegszeit mitgeprägt.

Symbolische Politik kann derartige Makel problemlos beiseite wischen: Dadurch, dass Bundespräsident Johannes Rau der gestrigen Preisverleihung in Gdansk beiwohnte, war der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski nach diplomatischer Logik gezwungen, gleichfalls den Feierlichkeiten im rekonstruierten Artushof beizuwohnen. Die musikalisch von der Cappella Gedanensis und dem Bremer Domchor umrahmte Feier wurde zum Staatsakt. Wohl nicht zu Unrecht. Denn das Bündnis zwischen Bremen und Gdansk ist die älteste deutsch-polnische Städtepartnerschaft. Koschnick selbst hatte sie 1976 gegen den Widerstand der Schmidt-Regierung durchgesetzt und machte damit ein Versöhnungsangebot an die Stadt, in der der Zweite Weltkrieg 1939 begonnen hatte.

Besonders in den Zeiten der Solidarność-Bewegung ab 1980 spielte sie eine enorme politische Rolle. Vor diesem Hintergrund forderte Johannes Rau auf, im Hinblick auf den bevorstehenden EU-Beitritt Polens „die Perspektiven für unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten“. Diesen Tenor teilte er mit dem polnischen Staatspräsidenten, der die polnisch-deutschen Beziehungen mit der Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft verglich.

Für Bremen ist die Partnerschaft eine strategisch fast optimale Komponente der Bewerbung für den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“: Die EU-Kriterien für die Kulturhauptstadt-Bewerbungen empfehlen intensive Kontakte zu Beitrittsstaaten. Prompt hatte der Intendant der Bremer Bewerbung, der Schweizer Kulturmanager Martin Heller, die Feierlichkeiten zum Anlass genommen, einen intensiven Arbeitsbesuch in Gdansk zu absolvieren.

Auf der Suche nach Kooperationspartnern durchkämmte er die Hafenstadt vom soziokulturellen Zentrum über innovative Galerie-Projekte bis hin zu einem in Planung befindlichen Science-Park: Ausgerechnet 2010, so Projektleiter Krzysztof Rudzinski, werde das Zentrum seine Pforten öffnen. Der Standort: die 1807 von den Franzosen errichtete Festung oberhalb der Stadt. Nicht weniger visionär gab sich Heller selbst: „Städtepartnerschaften sind ein relativ altes Instrument“, so der Kulturmanager. Sie nur als Kooperation um der Kooperation willen zu begreifen, weil Zusammenarbeit „eine ethisch überlegene Position“ beanspruche, halte er jedoch „für eine relativ stupide Argumentation“. Das Projektteam versuche daher, dem Modell „neue Inhalte zu geben“.

Ein internationaleres Bremen? Traumtänzereien sind das nicht, zumal 2005 EU-Gelder für vergleichbare Projekte freigeschaltet werden: Das Programm „Hansepassagen“, das die historischen Beziehungen der Hansestädte revitalisieren soll, gilt als aussichtsreicher Fördertopf. Die Städtepartnerschaft Bremen-Gdansk für ein transnationales Lernen einzusetzen könnte jedenfalls durchaus Impulse bieten, so dass, sollte Bremen den Kulturhauptstadt-Titel nicht erringen, nicht alles verloren wäre. Gutes Lobbying vorausgesetzt, bliebe immer noch die Möglichkeit eines weiteren Brost-Preises.