Flugsaurier, hallo!

Die Galerie Reinfeld wird von „Animals“ erobert. Aus süß wird dabei bedrohlich – denn diese Tiere kann niemand aufhalten. Simon Granger lässt sie mit knalligen Farben aus dem Papier wachsen

Süß! Ein dicker Kopf, ein kurzer, gelber Schnabel, große, dunkle Augen. Dazu türkisblaue Flügel und Drachenzacken auf dem Rücken. Wie eine Mischung aus Drache, Fisch und Vogel. Da schwebt es nun, dieses Wesen, in seinem irrealen Raum daher. Wie groß der Drachen-Fisch-Vogel ist, weiß man nicht. Es könnte riesig sein, wie ein Drache eben. Oder klein wie ein Wellensittich.

Und es ist nicht allein. Andere Sphinx-Mischungen fliegen umher. Hundeschnauze gemischt mit Fischkörper, mal hellgrün und mit Pekinesen-Nase oder auch pink mit Elefantenrüssel und Schweineohr. Hier muss irgendwo ein Nest sein! Nämlich: die Galerie Reinfeld. Dort hängen zur Zeit Werke des Londoner Malers Simon Granger. Dessen „Animals“ fliegen in Leinwänden, 1,70 x 2,10 Meter groß. Gesteigert wird deren Wirkung durch die Enge der Reinfeldschen Räume: Man kann den drachenfischigen Viechern nicht entkommen, mühelos füllen sie die Wände des Hauptraumes und gewinnen dabei Monstrosität. Manche Mischlinge erinnern auch an Fuchur, den fliegenden Drachen aus Michael Endes „Unendlicher Geschichte“.

Simon Granger, 1955 in London geboren, malt mit Öl auf Leinwand. In so knalligen Farben und in solcher Genauigkeit, dass sie wie von Computers Hand gepixelt scheinen. Neben den monströsen Werken gibt es auch die kleinen, nur DIN A4 großen. Die sind putzig, bunt, niedlich. Wenn sie aber wachsen wird aus niedlich bedrohlich und drohend. Haustiere, klein wie Katzen, entwickeln sich zu Monstern, keine richtigen, aber doch von Kalbsgröße. In der Luft segelnd. Wohin, das ist nicht ersichtlich, aber: Nichts kann sie bremsen.

Die „Animals“ können nicht wirklich gehalten werden, jedes Glas würde bersten, selbst Panzerglas. Und so fliegen und sie nun, festgehalten im für den Moment, nur fixiert durch die Pinselstriche und Farben Grangers. Einen Moment später, eine Sekunde später können sie schon ihren imaginären Pinsel-Ketten durchbrochen haben. Und ihre Schnäbel, ihre spitzen Zähne in das Fleisch des Betrachters rammen. Süß und niedlich – oder bedrohlich. Je nach dem.

ANNA POSTELS

Bis zum 12. November in der Galerie Reinfeld, Am Weidedamm 7. Kontakt: ☎ (0421) 35 57 07