Italiener, ganzer Kerl

Ein Berlusconi-Minister hat EU-Parlamentarier als Schwuchteln beschimpft – ein Vorwurf mit Tradition

Mirko Tremaglia, in der Berlusconi-Regierung Minister für die Auslandsitaliener, versteht die Welt nicht mehr. Er habe doch „bloß Italienisch“ geredet in seiner Presseerklärung, mit der er das Votum des EP-Ausschusses für Inneres und Justiz gegen Rocco Buttiglione kommentiert hatte. „Buttiglione hat verloren. Armes Europa: Die culattoni sind in der Mehrheit“ – in der Tat war Tremaglias Stellungnahme kurz, knackig und vom ersten bis zum letzten Wort italienisch.

Das Wort „Gay“ habe er halt in die Landessprache übersetzt, versichert der Minister treuherzig, und die Presseagenturen dolmetschen leicht verschämt weiter ins Deutsche: Von „Schwuchteln“ habe der Mann geredet. Nein, Herr Tremaglia war etwas plastischer: Culattoni sind diejenigen, die ihren Arsch hinhalten.

Jetzt ist Tremaglia verstört. Darf man das nun auch nicht mehr sagen? Erst wird Buttiglione europaweit gerüffelt, weil er als guter Katholik Homosexualität bloß als „Sünde“ sehen kann, obwohl er doch gleich gnädig hinzugefügt hat, nicht jede Sünde müsse auch staatlich verboten werden. Und dann darf Herr Tremaglia die Sünde nicht mal mehr beim Namen nennen. Von zu Hause, bei sich in Bergamo, ist er anderes gewöhnt, „da reden wir so, eben auf Italienisch“.

Italienisch redet Tremaglia aber vor allem in seiner Partei. Der alte Herr, der als 16-Jähriger für Mussolinis Sozialrepublik freiwillig in den Krieg zog und heute noch die Duce-Büste im Arbeitszimmer stehen hat, ist schließlich bekennender Faschist, auch wenn seine Alleanza Nazionale (AN) sich mittlerweile demokratisch gewendet gibt. In dem rechten Verein gehört viriles Lästern über Schwule einfach zum guten Ton. Vor ein paar Jahren ereiferte sich der AN-Spitzenpolitiker Francesco Storace nach einer Rangelei im Parlament über einen Abgeordneten der Grünen: „Der wollte mich mit seinen lackierten Fingernägeln kratzen. Aber ich habe ihn nicht angefasst. Auf meinem Arsch werden Sie keine Fingerabdrücke von dem da finden.“ Und Maurizio Gasparri, Minister der AN, fiel zu dem belgischen Sozialisten (und bekennenden Schwulen) Elio Di Rupo nur ein, der stehe doch unter Pädophilie-Verdacht. Richtig gemäßigt wirkt dagegen Parteichef Gianfranco Fini, den es schaudert bei dem Gedanken, man könne offen homosexuelle Lehrer in den Schulen auf die Kinder loslassen.

Faschos bleiben eben ganze Kerls, auch wenn sie dem Faschismus adieu gesagt haben, und der Duce bleibt ihr Vorbild. Als Mussolini regierte, war die Welt noch in Ordnung, war der italienische Mann noch ein echter Macho. Zwar machte sich 1927 der faschistische Justizminister daran, die bis dahin legale Homosexualität unter Strafe zu stellen – doch Mussolini kassierte einfach das Vorhaben. Nicht etwa aus Toleranz: Der Duce mochte sich einfach nicht vorstellen, dass es in seinem Reich außer strammen Hetero-Burschen auch Schwuchteln, Tunten, culattoni geben könne. Seine Erben sind da ein Stück weiter. Sie wissen um die Existenz der Schwulen. Und Tremaglia gibt sogar zu Protokoll, er habe „gar kein Problem mit Gay-Parlamentariern“. Bloß „Italienisch“ möchte er weiter über sie reden dürfen. Ist das denn zu viel verlangt?

MICHAEL BRAUN