: Vermisst und verloren
Aufgemerkt Blutsbrüder, Ex-Mitbewohner, Diebe und Schuldner: Wiedersehen macht Freude!
BERLIN taz ■ Wo steckt Christiane Sanner? Ich muss sie unbedingt wiederfinden, ich muss wissen, was aus ihr geworden ist. Im vierten Schuljahr wurde Christiane und mir plötzlich klar, dass wir Freundinnen fürs Leben sind – und wir beschlossen, diese Erkenntnis in einem heiligen Akt und mit einem Blutritual feierlich zu besiegeln. Nach dem Unterricht hockten wir uns auf den kleinen Rasenflecken hinter der Grundschule St. Josef in Münster und wollten mit dem Ritual anfangen. Blut musste her – selbstverständlich – und zwar unser eigenes.
Ein Taschenmesser hatten wir, aber wir wussten, dass man verbluten kann, wenn man sich die Pulsadern aufschlitzt. Trotzdem starteten wir einen Versuch in dieser Richtung. Christiane fing an, aber es blieb beim Versuch. Das Messer war zu stumpf und nicht richtig geeignet. Was tun?
Schließlich hatte einer von uns die zündende Idee: Wir spitzten unsere Bleistifte, bis sie spitz wie Nadeln waren, und rammten sie uns in die Handballen. Einmal, zweimal – das tat sehr weh, aber Blut kam noch keins. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir kräftiger rammen mussten. Augen zu und – ZACK!!! – endlich kamen bei uns beiden kleine Blutströpfchen. Euphorisch pressten wir unsere Hände aufeinander und leisteten den feierlichen Schwur, einander ewig treu zu sein, unsere Freundschaft niemals zu vergessen und zusammen durch dick und dünn zu gehen. Hugh!
Dann kam Christiane auf ein Internat und ich auf eine andere Schule. Wir verloren uns für immer. Und nun möchte ich gerne wissen, was aus meiner Blutsbrüderin geworden ist.
Ich möchte auch gerne wissen, was aus meinen Büchern geworden ist, die ich im vierten Semester an Michael Floer verliehen habe. Urplötzlich ist Michael verschwunden – keiner weiß, wie es geschah. Wie dem auch sei, die Bücher hätte ich bitte gerne wieder. Michael bekommt dafür seine zurück.
Und beim Thema „entliehene Bücher“ möchte ich mich an dieser Stelle bei Professor Dr. Frank Kämpfer vom Institut für osteuropäische Geschichte der Uni Münster für die späte Rückgabe seines Buches und die Kaffeeflecken entschuldigen, ich kann das erklären: In der Nacht vor meinem Referat über die erste Deutsche Sloboda in St. Petersburg (Sie erinnern sich doch sicher, Prof. Kämpfer?) merkte ich plötzlich, dass ich nicht fertig werden würde, ohne durchzuarbeiten. Mit Kaffee, so dachte ich, wäre das aber kein Problem. Nun war ich aber so nervös, dass ich den Kaffee über Ihr persönliches Buch zum Thema – das einzige im ganzen Institut – schüttete. Am nächsten Morgen war ich krank und konnte das Buch erst Jahre später an Sie zurückschicken. Tut mir leid.
Dabei fällt mir ein: Ines Kölling, ich habe dir im Jahre 1998 im Schluckspecht 50 DM geliehen, weil der Geldautomat um die Ecke außer Betrieb war. Die wolltest du mir bei Gelegenheit zurückgeben. Ich will ja wirklich nicht drängen, nur noch einmal daran erinnern.
Ach ja, und noch ein Letztes: Meine liebe Ex-WG aus der Mühlenstr. 16a, 48143 Münster – Ich weiß genau, dass es einer von euch war, der mein schönes, altes Steckenpferd gestohlen hat. Gudula schließe ich aus, aber euch, Bruno und Jörg, traue ich das durchaus zu! Das war hundsgemein, ich hatte es, seit ich drei war.
Und wo steckt eigentlich mein Freund Frank Starting aus der Kindergartenzeit? CORINNA STEGEMANN
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