Mal anders gefeilt

Retrospektive „Rose auf Schildkröte“ – Knast-Künstler der JVA Bremen zeigen Groteskes und Skurriles in der Städtischen Galerie. Die bremische Gefängnis-Bildhauerei feiert damit ihr 25-jähriges Jubiläum

„Kunst im öffentlichen Raum“ – etwas paradox, aber zukunftsweisend

Charly Berger war Knacki. Und traf es in der JVA Bremen in Oslebshausen besser, als mancher seiner Mithäftlinge. Denn Berger ist Künstler. Schon bevor er hinter den Mauern des Gefängnisses einsaß, entwarf er Plastiken, zeichnete und modellierte, spielte mit verschiedenen Formen und Materialien. Die Haftstrafe schien das vorläufige Ende seiner künstlerischen Arbeit zu bedeuten.

Die Retrospektive „Rose auf Schildkröte“ des Vereins „Mauern öffnen“ in der Städtischen Galerie Bremen zeigt, dass dem nicht so ist. Samstagabend um 18.00 Uhr eröffnet Bürgermeister Henning Scherf die Jubiläumsausstellung im Buntentor. Gezeigt werden ausgewählte Skulpturen und Plastiken von Ex-Knackis, derzeit Inhaftierten und den betreuenden Künstlern – auch Berger ist mit eigenen Exponaten vertreten. Seit 25 Jahren werkeln Häftlinge in der Bildhauerwerkstatt innerhalb der Gefängnismauern.

„Wir wollten den Begriff „Strafvollzug“ positiver besetzen“, erinnert sich Sigrid Koestermann, die Vereinsvorsitzende und kulturpolitische Sprecherin der CDU, an den Beginn der Initiative. Resozialisierung hieß das Schlagwort in den 80er Jahren: Unter Einbeziehung der Häftlinge entstanden bundesweit Kunstprojekte in Gefängnissen – eines davon initiierte Prof. Siegfried Neuenhausen 1976 im Rahmen des Referats „Kunst im öffentlichen Raum“ in Bremen. Etwas paradox, aber zukunftsweisend.

Aus Neuhausens Konzept – ein Grünstreifen vor der Haftanstalt sollte aufgewertet werden – entwickelte sich die heutige Bildhauerwerkstatt unter Anleitung professioneller Künstler in der JVA Bremen. „Wir arbeiten nicht therapeutisch“, so Werkstattleiter Holger Voigts. Diesen Ansatz hält er auch für falsch, würden Häftlinge in einer Therapie doch nicht in einer vergleichbar positiven Form kooperieren. Der Ansatz mag therapeutisch nicht sein, doch übernimmt der freie Umgang mit der Kunst eine wesentliche Funktion: „Die inhaftierten Bildhauer können sich auf diese Weise mit ihrer Lebensgeschichte auseinandersetzen“, so Voigts. Und das in einer Form, die der üblichen „Anstaltskultur“ eher fremd ist, aber positive Auswirkungen auf die Resozialisierung der Häftlinge haben kann.

Untergebracht in einer silbern glänzenden Metallhalle innerhalb der Gefängnismauern gehen die Häftlinge täglich ihrer künstlerischen Arbeit nach – wie auch ihre Knastbrüder aus dem geschlossenen Vollzug ihr Pensum erfüllen müssen – aber in der Wäscherei oder der Küche. „Heute, mitten in der öffentlichen Diskussion um härtere Strafen im Vollzug, wäre ein solches Projekt wohl zum Scheitern verurteilt“, sagt die Mitarbeiterin Martina Benz. Aber sie sind ja schon da und lassen sich so leicht nicht vertreiben.

Sie und die Anstaltsleitung haben gute Erfahrungen mit der Bildhauerwerkstatt gemacht: Vor sieben Jahren konnten sie diese sogar um einen Bereich für jugendliche Straftäter erweitern. Seitdem gibt es den täglichen Bus-Pendelverkehr zwischen Oslebshausen und der Jugendvollzugsanstalt Blockland. Während die Erwachsenen unter verschiedenen Materialien, wie Holz, Stein oder Metall für ihre Kunstwerke wählen können, müssen sich die jugendlichen Straftäter auf Keramik beschränken. Der Sicherheitsaspekt macht es notwendig, geht es manchmal doch etwas chaotisch zu, könnten Gegenstände durch den Raum fliegen, die nicht als Wurfgeschosse gedacht sind. Deshalb tauchen Hammer, Meißel und Co. in den Schubläden der Jugendwerkstatt nicht auf.

Ex-Knacki Berger hat durch seine Arbeit in der Bildhauerwerkstatt – fünf Tage die Woche, acht Stunden am Tag – den erhofften Anschluss gefunden, ein soziales Gefüge aufbauen können. In einem Atelier der „Blauen Karawane“ arbeitet er heute „draußen“ weiter an seinen Skulpturen. Finanziell knapp ist es trotzdem, zumal es für ehemalige Häftlinge auf dem heutigen Arbeitsmarkt wohl wenig bis nichts zu holen gibt.

Dirk Strobel

Rose auf Schildkröte, bis zum 23. November 2003, Di. bis So. 11 bis 18 Uhr, Do. 11 bis 20 Uhr, Mo. geschlossen. Ausstellungs-Eröffnung: 01. November, 18 Uhr, Städtische Galerie Buntentor