Abwasserprivatisierung ohne Gewinn

Abwassergebühren wurden 1999 falsch kalkuliert. Verwaltungsgericht bestätigt: Bei der Privatisierung hätten die Gebühren neu berechnet werden müssen. Der Umweltsenator zieht dagegen in die nächste Instanz

bremen taz ■ Mit den hiesigen Abwassergebühren stimmt etwas nicht. Dieser Ansicht ist der Bremer Professor Ernst Mönnich: Die Abwassergebühren seien nicht nur zu hoch – sondern vor allem falsch berechnet. Deswegen zog der Hochschullehrer vors Verwaltungsgericht – und bekam dort Recht.

Bremen habe beim Verkauf des ehemals städtischen Abwasserbereichs an die private Hansewasser GmbH nicht geprüft, ob in der Folge die Gebühren gesenkt werden müssten, teilten die Richter der Zweiten Kammer die Sicht von Kläger Mönnich. Dem beklagten Senator für Bau und Umwelt bescheinigten sie unterdessen „schwerwiegende Fehler“ in der Gebührenkalkulation. Weil der Senator das anders sieht, zieht er in die nächste Instanz. Dann muss das Oberverwaltungsgericht entscheiden – doch dort steht ein Termin noch nicht fest.

Begonnen hat das Ärgernis für Kläger Mönnich 1999, mit dem Verkauf der kommunalen Abwasserentsorgung an die private Hansewasser, in der die Stadt nur noch eine Sperrminorität von 25,1 Prozent der Anteile hält.

Rund 700 Millionen Mark flossen damals, davon 208 Millionen als reiner Kaufpreis, 405 Millionen aus Erlösen aus Nutzungsrechten am Kanalsystem sowie 50 Millionen kapitalisierten Erbbauzinses, in die Bremer Kassen. Außerdem verpflichtete sich die Käuferin, mit 340 Millionen Mark Darlehen abzulösen, die die kommunalen Bremer Entsorgungsbetriebe aufgenommen hatten. Im Gegenzug besorgt die private Hansewasser GmbH seither den Unterhalt des Kanalnetzes sowie die Abwasserentsorgung und -reinigung für die rund 280.000 stadtbremischen Privathaushalte. Einer davon ist der von Ernst Mönnich – der gleich 1999 gegen seinen ersten Abwassergebührenbescheid Widerspruch einlegte.

Rechtswidrig sei der Gebührenbescheid, schrieb er in die Klageschrift, und falsch die Kalkulation. Der Grund: Wo öffentliches Vermögen veräußert wird, das durch zweckgebundene Beiträge wie Abwassergebühren finanziert wurde, dürfe der Erlös nicht einfach nur ins Stadtsäckel fließen – wie geschehen. Vielmehr müsse der „beitragsentsprechende Anteil des Veräußerungserlöses dem Gebührenhaushalt zugeführt werden“, so Mönnich. Klartext: Der Gebührenzahler muss auch was vom Verkauf haben. Denkbar wären Beitragsrückerstattung oder Gebührensenkung. Doch nichts dergleichen geschah.

Musste es auch nicht, hielt die beklagte Stadt dagegen. Sie habe alles Erdenkliche getan, damit es beim Verkauf nicht zu einer Gebührensteigerung gekommen sei. Und außerdem – so argumentierte sie waghalsig – habe sie gar „keinen Veräußerungsgewinn erzielt“. Dem bereinigten Veräußerungserlös von 823.800.000 Mark hätten „910.600.000 Mark vom Haushalt finanziertes Anlagevermögen“ gegenübergestanden – „so dass im Ergebnis im Zuge der Privatisierung des Teilbetriebes Abwasser die Erlöse geringer ausgefallen seien, als das in diesem Bereich gebundene Kapital der Stadtgemeinde.“ Vorsorglich schreibt die Stadt dann: Selbst wenn ein Veräußerungsgewinn zu unterstellen wäre, wäre das gebührenrechtlich irrelevant – zumal der Hansewasser GmbH das Kanalnetz nur befristet verpachtet sei.

Das Verwaltungsgericht dagegen kritisierte, es reiche nicht sicherzustellen, dass es keine Gebührenerhöhung gibt. Die Stadt hätte vielmehr mindestens eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation vornehmen müssen – und dabei auch prüfen sollen, ob die mit der Privatisierung völlig veränderten Basisdaten eine Gebührensenkung erfordert hätten. Weil die Richter in dem Fall aber grundsätzliche Bedeutung erkannten, ließen sie Berufung zu. Es geht um die Frage: Was muss mit Privatisierungserlösen geschehen? Eva Rhode