Wien – so richtig zum Abchillen

Einkehren bei Jungköchen, die die Wiener Szene aufmischen. Beispielsweise mit vietnamesisch-österreichischer Speisekarte. Eine Kneipen- und Restauranttour durch Wien. Das große Angebot der Wiener Lokalszene verlockt zum Kneipen-Hopping

von KATHARINA SCHNURR

Zugegeben, was ich bisher von Wien kannte, war nicht viel. Allerdings war mir eines klar: Der Wiener an sich ist konservativ, rückwärts gewandt. Also nichts mit Nachtleben. Irrtum: Entgegen meinen Vorurteilen ist die Wiener Lokalszene jung und dynamisch, und jedes Jahr kommen neue Locations dazu. Genau richtig zum Abchillen.

Besonders auffallend: Die Wiener Szene ist vielfältig, und jedes Lokal besitzt seine individuelle Duftnote. Zumeist sind es Quereinsteiger, die als Jungköche die Wiener Kochszene mächtig durcheinander wirbeln.

Jeder Bezirk besitzt sozusagen seine eigene Ess- und Kneipenkultur. Die Szenelokale des 9. Bezirks sind vor allem Studentenkneipen, jene im 2. Bezirk gehören zum Schrägsten und Abgefahrensten, was Österreich zu bieten hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Abend nach einem Restaurantbesuch zu Ende war – inzwischen wird Wien erst danach interessant. Und wie in anderen Städten gibt es auch hier Lokale, in denen man sich sehen lassen sollte.

Eines der vielen neuen Restaurants ist das „Aromat“. Früher eine kleiner Obstladen, heute ein Muss für Freunde der österreichisch-vietnamesischen Küche. Interessant: Auf der täglich wechselnden Karte finden sich so ungewöhnliche Suppenkreationen wie die Süsskartoffelsuppe mit Kokoseinlage oder der Hot Pot, ein vietnamesiches Allerlei. Die drei Köche, denen man vom Tisch aus in den Topf schauen kann, sind allesamt Quereinsteiger. Gemeinsam ist dem Mediziner, dem Künstler und dem Wirtschaftswissenschaftler das Faible für die asiatische Küche. So vielfältig wie das Essen sind die Gäste des Aromat: Vom aufstrebenden Yuppie bis hin zum Feinschmecker gibt es nichts, was es nicht gibt. In Hinblick auf den begrenzten Platz und die eher unbequemen Sitzgelegenheiten sollte man sich hier auf das Essen beschränken und danach weiterziehen. Es gibt ja noch mehr.

Eher traditionell geht es im nahe gelegenen Gasthaus Horvath zu. Auch wenn die Speisen auf zwei Seiten passen, die Weinkarte ist mit 80 verschiedenen Weinen sicherlich eine der größten in Wien. Besonders angenehm: Es ist ruhig. So kann sich der Besucher auf das Wesentliche konzentrieren: das Essen.

Ab elf Uhr ist Barfeeling angesagt. Das große Angebot der Wiener Lokalszene, auch „Beislszene“ genannt, verlockt ohnehin zum Besuch von drei, vier Lokalitäten am Abend. In der Nähe des Naschmarkts befindet sich das Café Savoy. Mittags verkehrt hier gemischtes Publikum, abends wird das Café zum „schärfsten Schwulenlokal“ der Stadt, wo sich auch Frauen wohl fühlen können. Zum Beispiel auf einem der gemütlichen Ledersofas. Das Café aus der Zeit der Jahrhundertwende mit dem angeblich größten Spiegel Mitteleuropas zeigt sich am Abend heimelig. Wenn Sie allerdings militanter Nichtraucher sind, sollten sie sich lieber frühzeitig einen Platz im „Kaleidoskop“ sichern und an der ganz in Schwarzweiß gehaltenen Bar neben zahlreichen Jungunternehmern die riesige Whiskeykarte durchprobieren. Das entspannt schlussendlich – wie Wien am Abend.