Drohender Bürgerkrieg um Land

In Paraguay nehmen die gewaltsamen Konflikte um Land zu und werden die Forderungen nach Umverteilung des Bodens lauter. Der Präsident wiegelt ab

BUENOS AIRES/BERLIN taz ■ Es ist wie ein Katz-und-Maus-Spiel. Erst Donnerstag vor einer Woche vertrieb ein Großaufgebot von Sicherheitskräften rund 1.400 Landbesetzer von einer Farm im Department San Pedro nördlich der Hauptstadt Asunción. Doch schon am vergangenen Sonntag drohten die Besetzer wieder die Farm unter ihre Kontrolle zu bringen, weil Regierung und Behörden sich sonst taub zeigten für ihre Forderungen.

Die zunehmende Welle von Landbesetzungen wird zu einem ernsthaften Problem des seit August 2003 regierenden Präsidenten Nicanor Duarte Frutos. Seit die regierende Colorado-Partei 1950 Staatsland an ihre Unterstützer verschenkte, ist das Thema Agrarreform in dem südamerikanischen Land ein Dauerbrenner.

Kein Wunder, denn Paraguays Landverteilung ist so ungleich wie in nur wenigen Ländern Südamerikas, wo riesige Farmen auf offenem Feld zum normalen Landschaftsbild gehören. Doch in Paraguay, wo nach Regierungszahlen 47 Prozent der Bevölkerung arm sind, besitzt ein Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Bodens – dabei lebt fast die Hälfte der 5,6 Millionen Einwohner in ländlichen Gebieten.

Duarte Frutos versucht das Problem der ungleichen Landverteilung anzugehen. Mit zehn Millionen Dollar will er eine Agrarreform anschieben, die 25.000 Hektar Land für landlose Bauern bereitstellt. Doch die Campesino-Organisationen trauen ihm nicht. „Die Regierung hat ein Projekt vorgelegt mit sehr schönen Broschüren, aber wir glauben nicht länger an Sonntagsreden oder Broschüren, weil man damit keine Agrarreform macht“, sagt Antonio Gayoso, ein Campesino-Führer.

Für die Campesinos ist die Agrarreform der Regierung halbherzig. Nur sehr wenige landlose Bauern würden in den Genuss einer Parzelle kommen. Die Kleinbauern stellen viel weitgehendere Forderungen wie etwa nach zinsgünstigen Darlehen. Doch damit stoßen sie bei Duarte Frutos auf taube Ohren.

Die Antwort des Präsidenten ist die Polizei. Zum Schutz des Privateigentums lässt Duarte Frutos Besetzer notfalls mit Gewalt räumen. Viele Landbesitzer warten nicht einmal mehr auf die Polizei, sie haben bewaffnete Milizen aufgestellt. Von einem „Kriegsklima“ spricht Luis Aguayo, Generalsekretär des Koordinationskreises der Campesino-Organisationen. Vor allem Agrarunternehmer aus dem Nachbarland Brasilien, die in Paraguay Land bewirtschaften, unterhielten kleine, aber gut gerüstete Privatarmeen, warnt er. Durch das Tolerieren der privaten Milizen würde die Regierung „zum Komplizen bei den Todesfällen in mehreren Regionen“, so Aguayo.

Zahlreiche Campesinos wurden bereits ermordet. Doch die Behörden ermitteln nur selten. Deshalb warnt Aguayo, dass die Kleinbauern die Justiz bald selbst in die Hand nehmen würden. Es drohe ein Bürgerkrieg.

So könnte die Landfrage zum schwierigsten Anliegen für Duarte Frutos werden. Paraguays Regierungen haben sich bereits daran gewohnt, Forderungen der Campesinos nicht allzu ernst zu nehmen. Doch das könnte fatal sein. „Zwar kommen und gehen ihre Forderungen immer wieder“, sagt der Soziologe Miguel Angel Verdecchia von der Katholischen Universität in Asunción, „doch wenn sie stärker werden, könnte der Präsident ein ernsthaftes Problem kriegen.“

Der Präsident selbst sieht das gelassener. Bei einem Gespräch am Rande seines Staatsbesuches in Berlin sagte er am Donnerstag, von einer „Welle“ von Landbesetzungen könne nicht die Rede sein. Zwanzig Besetzungen seien in den vergangenen Wochen friedlich beendet worden. Auch gebe es einen Runden Tisch zwischen Landbesitzern, Produzenten und Campesino-Führern, um über die Agrarfrage zu reden. Die größten Probleme allerdings sieht Duarte Frutos bei seinen eigenen Parteigängern – immerhin sind etliche der großen Landbesitzer in seiner seit fast sechs Jahrzehnten regierenden Colorado-Partei engagiert.

INGO MALCHER, BERND PICKERT