Yukos-Aktien steigen

Leichte Beruhigung auf Russlands Börsenmarkt nach Konfiszierung. Rücktritt von Kreml-Stabschef jetzt offiziell

BERLIN taz ■ „In der Woche nach Chodorkowskis Verhaftung ist Russland um 27 Milliarden Dollar weniger wert geworden“. So lautete gestern die Unterzeile in der Tageszeitung Kommersant zu einem Foto des inhaftierten Chefs von Russlands größter Ölgesellschaft Yukos, Michail Chodorkowski. Die Zeitung spielte auf den Fall der Aktien vieler Firmen im Lande nach dessen spektakulärer Inhaftierung an.

Zu den steilsten Börsenstürzen war es vorgestern gekommen, nachdem die Staatsanwaltschaft die Konfiszierung von etwa 60 Prozent der Yukos-Aktien bekannt gegeben hatte. Öffentlich gemacht wurde diese Maßnahme am Donnerstagabend. Allen voran verlor sofort die Yukos-Aktie an Wert, um 14 Prozent. Wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete, gaben die Strafverfolger gestern einen Teil der beschlagnahmten Aktien wieder frei.

Der Kommersant spekuliert, die Aktien hätten noch tiefer sinken können, wenn nicht zum gleichen Zeitpunkt die Chefs von Russlands größten Finanzgesellschaften im Kreml versammelt gewesen wären, um Erklärungen Präsident Wladimir Putins zur Lage zu lauschen, und fügt hinzu: „Natürlich hatte man ihnen ihre Handys abgenommen“.

Putin versicherte den heimischen Kapitalisten, dass er mit der Angelegenheit nichts zu tun habe und es sich um einen Einzelfall handele, nicht – wie weltweit vermutet – um den Beginn einer Revision der Eigentumsverhältnisse in ganz Russland.

Nicht überzeugt von dieser Version war Putins Berater und Stabchef des Kreml, Alexander Woloschin. Er schied am Donnerstag aus dem Amt. Woloschin – ein Urgestein aus der Jelzin-Ära – hatte seinen Rücktritt in letzter Zeit schon öfters angekündigt, doch der Präsident kam ihm mit seiner Entlassung zuvor.

Einen für hohe postsowjetische Beamte beispiellosen Schritt tat am Donnerstagabend der Vizeminister für Handel und wirtschafliche Entwicklung, Arkadi Dworkowitsch. Auf einer Investorenkonferenz warnte er praktisch vor Kapitalanlagen in Russland und deutete an, die staatlichen Übergriffe auf Yukos könnten sich auf weitere Gesellschaften erstrecken. „Dieses Risiko, dass vergangene Sünden (der russischen Firmenchefs , Anm. d. Red.) wieder ausgegraben werden, existiert, und es sollte bei allen Investmentprojekten in Russland berücksichtigt werden“, sagte Dworkowitsch.

Die Generalstaatsanwaltschaft versicherte, die Yukos-Aktien seien durch die Konfiszierung lediglich auf Zeit unverkäuflich geworden, alle anderen Operationen mit ihnen seien jedoch durchführbar. Die Moskauer Börsianer schienen dies zunächst teilweise zu glauben. Die seit dem 24. Oktober um 28 Prozent gesunkene Yukos-Aktie war gestern wieder von 10,4 auf 11,5 US-Dollar gestiegen, also um 10,4 Prozent. BARBARA KERNECK