piwik no script img

press-schlagFußballerische Unperson mit der Lebendigkeit einer Wasserleiche

Über die Schwierigkeit, sich angesichts des derzeitigen Zustandes von Borussia Dortmund noch schwarz-gelb zu rasieren

Mit brüchiger Stimme zu sprechen: „Ich hatte einen BVB-Waschlappen …“ Der lag auf der Heizung, tagein, tagaus. Ich habe ihn nicht benutzt. Er war kein Waschlappen im eigentlichen Sinn. Er war mehr als ein Waschlappen. Er war ein Fanal. Die kleine Flagge meines Fantums. Außerdem benutzte ich – als reifer Mensch – einen Rasierapparat, der aussah wie ein Wespe: schwarz und gelb gestreift. Das stelle man sich mal vor. Ich war ein Fan von Borussia Dortmund. Lange. Ziemlich lange.

Fans sind blöde. Beschränkt wie gutgläubige Liebhaber. Sie denken, die Ihre sei einmalig und wunderbar und unangreifbar. So war ich auch. Meine Borussia war immer noch ein tolles Weib für mich, lange nachdem sie schon schwere Mängel zeigte. Orangenhaut und kiloweise Silikon. Man will es nicht sehen. Ich wollte es nicht sehen, obwohl man es schon sehr lange sehen konnte. Vor allem an den Protagonisten der Mannschaft. Die Langeweile, die ein Spieler wie Ricken verbreitete. Die Fahlheit eines Jörg Heinrich – eine fußballerische Unperson mit der Lebendigkeit einer Wasserleiche. Die fußballerische und menschliche Beschränktheit eines Reuter, die aalglatte Ignoranz eines Jens Lehmann. Der – das muss man ihm fast zugute halten – zumindest so viel an Emotionen auslöste, dass man ihm gerne und mit Bedacht ständig in die Schnauze hätte schlagen mögen. Gar nicht zu reden von Leuten wie Amoroso. Diese Mannschaft hatte schon sehr lange kein Herz mehr.

Sammer war als Spieler einer, der über die notwendigen Qualitäten verfügte. Als Trainer erfüllte er die Funktion einer von Präsident Gerd Niebaum installierten Herz-Lungen-Maschine, deren Batterien nach relativ kurzer Zeit erschöpft waren. Das war nicht seine Schuld. Trotzdem ist Sammer Niebaum in Nibelungentreue immer noch für alles mögliche dankbar, weil der zwar einen Schuldenberg von 120 Millionen Euro anhäufte, aber „unendlich viel für den Verein getan“ habe. Scheiß drauf, wenn der Verein in der Oberliga landet.

Was Niebaum und Meier geleistet haben, ist doch vor allem eines: Sie haben dem Mythos Borussia Dortmund schwersten Schaden zugefügt. Weil sie keine Fans sind, sondern Funktionäre. Und wie alle Funktionäre wissen sie nicht, was Herzblut ist. Wohlgemerkt: nichts gegen Leute im Profifußball, die was von Geld verstehen. Aber sie müssen auch eine Ahnung von ihrem Geschäft haben. Dazu gehört die Erkenntnis, dass großer Fußball niemals nur Geld ist. Dass der Mythos das Pfund ist, mit dem Vereine wie die Borussia wuchern müssen. Deswegen braucht die Mannschaft Typen, die den Mythos am Leben erhalten. Eine Mannschaft, die erwachsene Menschen dazu bringt, sich einen BVB-Waschlappen zu halten und sich mit schwarz-gelb gestreiften Apparaten zu rasieren. ALBERT HEFELE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen