Mehr zahlen, schlechter studieren

Trotz Studiengebühren herrschen an Österreichs Unis desolate Zustände. Ministerin verweist auf Autonomie

WIEN taz ■ Österreichs Universitäten sind modern geworden. Für Lehrveranstaltungen muss man sich jetzt online anmelden. Dieses System hat auch seine Tücken: Als sich Natalia H. vor zwei Wochen zum frühest möglichen Termin einloggte, um ihre Proseminare zu buchen, erlebte sie einen Schock: Sie fand sich auf den Listenplätzen 42, 56 und 95 für die zum Studienabschluss erforderlichen Veranstaltungen. Je 30 werden aufgenommen. „That’s life“, heißt es dazu lapidar in den erläuternden Bemerkungen.

Österreichs Studierende fühlen sich verarscht. Seit 2001 werden Studiengebühren erhoben – 363 Euro pro Semester –, und gleichzeitig hat sich die Qualität dramatisch verschlechtert. Wer zahlen muss, schließt sein Studium schneller ab, hieß eines der Argumente. Doch vielen geht es wie Natalia H.: Sie wollen, können aber nicht abschließen.

Im Bereich Publizistik gibt es zu wenige Betreuer für Diplomanden. Derzeit werden keine Anmeldungen für Diplomarbeiten angenommen. Institutsleiter Wolfgang Langebucher hat sich an Kollegen im gesamten deutschsprachigen Raum gewandt. Sie sollen bei der Beurteilung helfen. Auch die Raumnot ist akut: Ein Lektor hat auf eigene Kosten einen Saal an der Volkshochschule angemietet, um seine Veranstaltung abzuhalten.

Am Institut für Ernährungswissenschaften kommt ein ordentlicher Professor auf 2.500 Studierende. In Hörsälen mit 190 Plätzen drängen sich über 250 Studierende. Aus Salzburg, Innsbruck und Graz werden ähnliche Zustände gemeldet. Trotzdem haben sich bis September drei Prozent mehr Erstsemester immatrikuliert als letztes Jahr.

Seit die Unis vor zwei Jahren mit einem gedeckelten Budget in die Autonomie entlassen wurden, verschärft sich die Krise. Um fast den gleichen Betrag, der durch die Studiengebühren in die Kassen fließt, wurde die Bundesfinanzierung gekürzt. Viele freie LektorInnen, die fehlende Seminare auch für wenig Geld übernähmen, können immer weniger beschäftigt werden.

Mangels Restaurierungsarbeiten verwahrlosen die Räumlichkeiten. Letztes Jahr stürzte in einem Hörsaal an der Uni Wien die Decke ein. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), die gerne die Floskel von der anzustrebenden Eliteuniversität im Munde führt, winkt ab: „Wer autonom ist, trägt Verantwortung.“ Rektoren und Institutsleitern wirft sie mangelnde Planung vor. Einem Hilferuf der Rektorenkonferenz, die zusätzliche 100 Millionen Euro für die Aufrechterhaltung von Infrastruktur und Bausubstanz forderte, entgegnete sie, sich für die Zuteilung von 25 Millionen in diesem und nächsten Jahr einzusetzen. Alles andere müsste man im Rahmen der Autonomie lösen. RALF LEONHARD