Ohne Netz und doppelten Boden

Opel-Arbeiter stemmen sich gegen den Vorschlag für eine Auffanggesellschaft. Das wäre nur der verzögerte Weg in die sichere Arbeitslosigkeit. Sie bestehen auf Arbeitsplatzsicherung. Die Konzernführung macht Druck und droht mit Werksschließungen

VON THORSTEN DENKLER

Was kommt, wenn alles vorbei ist, wissen die Manager von Opel bereits: eine Beschäftigungsgesellschaft. Damit will Opel-Europachef Carl-Peter Forster betriebsbedingte Kündigungen vermeiden und tausenden abgebauten Opelanern zwei Jahre lang Arbeit bieten. Entlohnung: 10 Prozent unter Tarif. Problem: Die Opel-Mitarbeiter verdienen derzeit 20 Prozent über Tarif. Vorteil für die Opel-Mutter General Motors: Eine Beschäftigungsgesellschaft ist weitaus günstiger als ein Sozialplan.

Die Gewerkschaften müssten so einem Plan zustimmen. Das tun sie aber nicht. Die Bochumer Belegschaft hat sich gestern per Abstimmung gegen eine Auffanggesellschaft ausgesprochen. Dies wäre nur der „verzögerte Weg in die sichere Arbeitslosigkeit, heißt es in einer Erklärung. Europabetriebsrat Klaus Hemmerling sagte: „Wir brauchen die Mitarbeiter in Bochum.“

Vor Ort ist weiter Kampf angesagt, zumindest am Bochumer Opel-Standort. Die als Informationsveranstaltungen getarnten Streiks sollten heute weitergehen, wenn die Konzernführung betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließt.

Die Infotreffen für die Belegschaft kosten das Unternehmen bis zu 60 Millionen Euro täglich. Ziel der Arbeiter: die stark vernetzten Opel-Werke in Europa von der Versorgung durch das Bochumer Werk abzuschneiden. In wenigen Tagen könnte dann die komplette Opel-Produktion stillstehen, weil etwa Auspuffe nicht mehr verfügbar wären. Ein Opel-Sprecher sagte, als Erstes könnte es das Werk im niederländischen Antwerpen treffen.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement appellierte an die Arbeiter in Bochum, Nerven zu bewahren und an die Arbeit zu gehen. IG-Metall-Vizechef Bethold Huber stimmte zu. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte er, andernfalls könne die Gewerkschaft nicht „zielführend“ verhandeln. Unternehmensführung und Gesamtbetriebsrat beginnen heute mit ersten Verhandlungen in Rüsselsheim.

Opel schreibt seit fünf Jahren Verluste. Der Marktanteil in Deutschland sank von 16,5 Prozent 1995 auf geschätzt 10,2 in diesem Jahr. Die Konzernführung hat inzwischen schwere Managementfehler zugegeben.

Europaweit will General Motors von den 60.000 Stellen bei Opel, Saab und Vauxhall innerhalb von zwei Jahren 12.000 abbauen, davon 10.000 in den Opelwerken Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern. Ab 2006 könnten auch ganze Werke geschlossen werden, sollte sich die Lage nicht bessern. GM-Europachef Fritz Henderson sagte dem Spiegel, wenn es um die Produktion neuer Mittelklassemodelle gehe, „müssen wir klären, wo die Produktion am günstigsten ist“.

Der neue Saab 9-3 und das einstige Opel-Zugpferd, der Vectra, sollen in Zukunft in einem Werk montiert werden – entweder in Rüsselsheim oder im schwedischen Trollhättan. Nach dem Motto „Möge der Bessere gewinnen“ soll nach den Plänen der GM-Führung den Zuschlag das Werk bekommen, das die Wagen am günstigsten produzieren kann. Opel-Chef Forster erklärte beide Standorte für problematisch. In Rüsselsheim sind es die hohen Lohnkosten, in Trollhättan Krankenstand und Qualität.

Gewerkschafter verlangen für beide Werke eine Perspektive. Die Konzernleitung versuche, beide Standorte „gegeneinander auszuspielen“, sagte Opel-Betriebsratschef Klaus Franz.

Der Konkurrenzkampf könnte auf alle GM-Werke in Europa ausgedehnt werden. In den kommenden fünf Jahren stehen 45 neue Modelle auf dem Plan. Nur wer die Preise unten hält, soll produzieren dürfen. Bochum steht ganz oben auf der Liste der bedrohten Standorte. Das Werk gilt als unrentabel und ineffizient – obwohl in den vergangenen neun Jahren die Zahl der Beschäftigten von einst 20.000 um die Hälfte reduziert wurde.