„Wir leben Glauben nicht über Sexualität“

Die nordelbische Landesbischöfin Maria Jepsen über eine Frau als künftige EKD-Ratsvorsitzende und den Streit um homosexuelle Bischöfe

taz: Bischöfin Jepsen, haben Sie schon den Heiligen Geist hier gespürt?

Maria Jepsen: Der heutige Morgen war sehr erleuchtend. Zwei Vorträge, eine Andacht, die mich sehr berührt haben, wo ich das Gefühl hatte, wir sind aus den Alltagsgeschäften herausgekommen, hinein in das, was weltlich gesehen Spaß bringt, was Lust macht und wo wir viel Aufklärung bekamen. Das ist Heiliger Geist.

Finden Sie, dass der, die zukünftige Ratsvorsitzende eine Frau sein sollte?

Nein, es muss keine Frau sein, darüber sind wir in der Nordelbischen Kirche hinausgewachsen: Wir gucken nicht, ob Mann oder Frau, wir gucken nach der Kompetenz. Aber warum sollte es keine Frau sein? Die Person, die dem Rat am besten Gehör bringen kann, sollte es sein. Ob Frau oder Mann, ob Ost oder West, das sind für mich keine Kategorien. Es wäre sicher schön, den deutschen Protestantismus in der Öffentlichkeit durch eine Frau zeigen zu können.

Vorgestern wurde in den USA bei der anglikanischen Kirche ein Homosexueller zum Bischof gewählt: Droht da eine Spaltung der anglikanischen Kirchen weltweit?

Es sieht so aus, als wenn die Gefahr sehr groß wäre. Ich hoffe, dass sich die Konservativen darauf besinnen, dass wir unseren Glauben nicht über die Sexualität definieren, sondern über das, was Gott geschenkt und uns aufgegeben hat. Ich bin immer noch guter Hoffnung, dass die Anglikaner die Verantwortung wirklich wahrnehmen. Wir leben Glauben nicht über Sexualität und Geschlechtsorgane, sondern über Herz und Kopf. Über das, was wir tun und verkündigen. Die Gefahr einer Spaltung ist vom christlichen Standpunkt her sehr gering. Aber vom Standpunkt der Angst groß.

Welche Auswirkung könnte eine Spaltung der anglikanischen Kirche auf die deutsche evangelische Kirche haben?

Keine.

Aber es kann doch sein, dass das gleiche Problem auch die EKD erreicht.

Wir haben in unseren Kirchen unterschiedliche Positionen zur Frage der Homosexualität außerhalb und innerhalb des Pfarramtes. Es ist ein schwieriges Thema, das haben wir auch beim Lutherischen Weltbund im Sommer in Winnipeg erfahren. Es bleibt eine schwierige Frage, weil wir die Sexualität weitgehend tabuisiert haben. Aber ich denke, dass wir doch als Kirche so viel Vertrauen haben, dass wir von etwas anderem getragen werden als nur von Geschlechtlichkeit.

Hätten Sie persönlich Schwierigkeiten damit, wenn in der EKD eine homosexuelle Bischöfin oder ein homosexueller Bischof auftreten würde?

Überhaupt nicht. Homosexuelle gibt es auch in anderen leitenden Funktionen von Kirche und Gesellschaft. Wichtiger ist die Frage: Wie lebe ich meine Sexualität, verantwortlich oder billig? Das ist nicht an Heterosexualität oder Homosexualität gebunden. Ich habe verantwortungsvoll zu leben, und andere auch – vor Gott und den Menschen.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER