Das Haupteinfallstor bleibt

Etwas weniger Land, ein klein bisschen Markt: Der vom Aus bedrohte Künstlerinnenhof „Die Höge“ soll mit modifiziertem Konzept fortgeführt werden

Das „Worpswede des 21. Jahrhunderts“ soll städtische Depandancen gründen

„Die Höge ist das professionellste Frauenprojekt weit und breit.“ Diese Superlativ kommt aus dem Mund von Andrea Buchelt, der als Herausgeberin des Frauenbranchenbuches ein gewisser Überblick nicht abzusprechen ist. Trotzdem feiert der südlich von Bremen gelegene Künstlerinnenhof am Samstag ein „Finale furioso“, Ende des Jahres wird er seine bisherige Arbeit einstellen. Die acht für kommendes Jahr vorgesehenen Stipendiatinnen sind bereits ausgeladen.

Barbara Reinhart, die den in ländlicher Idylle gelegenen Hof vor neun Jahren gekauft und als Frauenkulturstätte aufgebaut hatte, zieht damit die Konsequenz aus der immer wieder wackligen Finanzierung: Die pro Jahr benötigten – zum größten Teil privat akquirierten – 400.000 Euro seien schlichtweg nicht mehr aufzubringen und das Land Niedersachsen habe sich nicht zu einer institutionellen Förderung durchringen können.

Jetzt aber hat sich eine bunt gemischte Initiative gefunden – vom Landrat bis zur Immobilienmaklerin – die den Hof erhalten möchte. Mit dabei: Andrea Buchelt. „So ein Projekt sehenden Auges vor die Wand fahren zu lassen, wäre eine unendliche Ressourcenverschwendung“, sagt die Marketingunternehmerin. Schließlich habe die Höge Anerkennung nicht nur „in irgendeiner Frauenecke, sondern in der internationalen Kunstszene“ erreicht. Auch Uli Fuchs vom Bremer „Kulturhauptstadt“-Projektbüro will den Hof als „Denk- und Brutstätte“ erhalten. Denn der sei so etwas wie „das Worpswede des 21. Jahrhunderts“.

Was aber ist mit den finanziellen Problemen? „Vorsichtige Weiterentwicklung“ heißt die Parole. In den ersten Konzeptansätzen des Initiativkreises taucht – vorsichtig in Anführungszeichen gesetzt – der Begriff „Marktfähigkeit“ auf. Dieser „Filter“ sei „unerfreulich, unfreundlich, gewissermaßen unzumutbar – für die Höge jedoch überlebensnotwendig“. Und für Stipendiatinnen sei es ein „akzeptabler Lerneffekt“, die Bedürfnisse der potentiellen Geldgeber mit im Blick zu haben, findet Buchelt. Der „Kern“ des Ganzen – experimentelle Kunst von Frauen – solle aber auf alle Fälle beibehalten werden. Was offenbar auch für die heilige Regel gilt, dass Stipendiatinnen während ihrer Höge-Zeit keinerlei Produktionszwang unterliegen.

Allerdings soll sich die Einrichtung auch für Nicht-Künstlerinnen öffnen, etwa für Kongresse von Medizinern, zumindest weiblichen. „Für Männer bleibt das Haupteinfallstor zur Höge die anspruchsvolle Kunst“, formuliert das bisherige Konzept. Nicht zuletzt müsse man auch über mögliche Dependancen in Hannover, Bremen, Hamburg oder Berlin nachdenken. Als Ort für Großveranstaltungen (wie die „Komponistinnentage“) sei die Höge wegen ihrer Lage nämlich weniger geeignet. Zudem gibt es Überlegungen für eine „Summer School“ – „kein Stein bleibt unumgedreht“, verspricht Buchelt.

Die erste Hürde: Im Lauf des kommenden Jahres müssen 500.000 Euro aufgebracht werden, ein Viertel der insgesamt benötigten zwei Millionen, um die Immobilie zu übernehmen. 2005 ist dabei als „Zwischenjahr“ geplant: Das vorläufige Aus der Höge soll Raum bieten für alle möglichen individuellen Auszeiten: Der Hof bietet sich als frei mietbare Urlaubs- und Arbeitsstätte – inklusive des sehr beachtlichen künstlerisch-technischen Equipments – an.

Henning Bleyl

Karten für „Spektakula.i.r.“, das „Finale Furioso“ am kommenden Samstag (ab 12 Uhr) gibt es unter ☎ (04249) 930 30