AUF DIE WEISSRUSSISCHE WAHLFARCE HAT DER WESTEN KEINE ANTWORT
: Freibier in Minsk

Eine überwältigende Zustimmung zu einer dritten Amtszeit von Staatschef Alexander Lukaschenko und ein Parlament, das zu fast hundert Prozent dem Präsidenten hörig ist – ein anderes Ergebnis des so genannten Referendums und der Wahlen in Weißrussland hat wohl niemand ernsthaft erwartet. So gesehen hätte sich Autokrat Lukaschenko die Schmierenkomödie auch sparen können.

Dass es in Weißrussland dennoch immer noch eine Spur dümmer und plumper geht, machte das Spektakel deutlich, das die Staatsmacht noch am Wahltag inszenierte. Während sich das Stimmvieh, das nicht schon in den Tagen zuvor an die Urnen getrieben worden war, an Gratis-Bier und verbilligten Lebensmitteln delektierte, verwehrten Sicherheitskräfte einigen OSZE-Beobachtern den Zutritt zu den Wahllokalen. Ein russischer Journalist wurde krankenhausreif geschlagen – zufällig gerade der, der bereits in den 90er-Jahren wegen kritischer Reportagen in Minsk im Knast saß. Ein Staat, der zu solch erbärmlichen Mitteln greift, und das unter den Augen der Weltöffentlichkeit, diskreditiert sich total. Und das auf einem Niveau, das schwerlich zu unterbieten ist.

Doch so aberwitzig und peinlich wie das Siegesgeheul in Minsker Regierungskreisen, so hilflos mutet die Kritik westlicher Beobachter an. Denn um den total undemokratischen Charakter der Abstimmungen zu konstatieren, hätte es wohl kaum des Weges nach Minsk bedurft.

In Brüssel und anderswo wird man sich jetzt genau überlegen müssen, wie man mit Weißrussland weiter umgehen soll. Dass Distanz zu der pseudo-legitimierten Führung geboten ist, versteht sich von selbst, wenngleich das den zusehends der Realität entrückten Präsidenten kaum beeindrucken dürfte. Doch darin darf sich die Politik nicht erschöpfen. Vielmehr muss sie sich auf diejenigen Kräfte konzentrieren, die – allen Widrigkeiten zum Trotz – für ein anderes Weißrussland stehen.

Es sind vor allem junge Menschen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen. Sie nicht zu unterstützen, sondern abzuschreiben, wäre unverzeihlich. BARBARA OERTEL