Bauarbeiter fürchten Ostlohn

Gewerkschaft legt aus Protest Baustelle lahm: Sie hat Sorge, dass Bauarbeiter künftig nur noch mit den niedrigen Ostlöhnen statt nach Westtarif bezahlt werden

Das Gesicht unter dem weißen Bauhelm läuft rot an. Erhard Strobel ist stinksauer. „Berlin wird weiter nach Westniveau bezahlt, fertig ist!“, ruft der 63-jährige Gewerkschafter der IG BAU ins Mikro. Die 50 rotbehemdeten Bauarbeiter johlen: „Jawoll!“ An einer Großbaustelle für einen Hotelneubau, gleich neben dem U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park, haben sie sich am Donnerstagmorgen versammelt – und die dortigen Arbeiten vorübergehend lahmgelegt. Unbewegt ragen die acht Kräne in den blauen Himmel.

Die Bauarbeiter sind stinkig. 20 Jahre nach dem Mauerfall sollen im Baugewerbe bundesweit die Löhne in Ost und West angeglichen werden. Doch während die IG BAU eine Angleichung nach oben, gen Westniveau will, tendieren die Arbeitgeber zu den Osttarifen. 12,70 Euro Stundenlohn gibt es dort. In Berlin und dem Westen sind es 15,30 Euro. Die IG BAU hat nachgerechnet: Mit Ostlohn würde der Berliner Bauarbeiter monatlich 17 Prozent, sprich 440 Euro brutto weniger in der Tasche haben.

„Das ist skandalös“, schimpft IG-BAU-Bundesvize Dietmar Schäfers. Um ihn herum wehen rote Gewerkschaftsfahnen, trillern Pfeifen und gehen schon um 9 Uhr die spendierten Bockwürste bestens weg. Natürlich sei eine Ost-West-Lohnangleichung überfällig, sagt Schäfers – aber bitte nach oben. Aktuell stelle Ostdeutschland eine „ungeheuerliche Dumpingkonkurrenz im eigenen Land“ dar.

Seit Monatsanfang verhandelt die IG BAU im Namen der bundesweit 700.000 Beschäftigten mit den Arbeitgebern, dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Ende vergangener Woche war die zweite Tarifrunde ergebnislos gescheitert. „Wir liegen in unseren Vorstellungen weit auseinander“, so Schäfers. Denn seine Gewerkschaft fordert sogar 6 Prozent mehr Lohn – ausgehend vom Westniveau. „Der Branche geht es gut“, so Schäfers. „Das Baugewerbe ist Gewinner und Lokomotive der Konjunkturprogramme.“

Dem widerspricht der ZDB: Im Januar habe es einen Auftragsrückgang von 24 Prozent gegeben. „Die Forderungen der IG BAU sind unangemessen“, so Sprecherin Ilona Klein. Auch seien die Ost-Stundenlöhne von 12,70 Euro nur ein Sockelbetrag – regional gäbe es Zuschläge. „Niemand würde weniger Lohn kriegen.“

Die IG BAU traut dem nicht: Wie wolle man die fehlenden Fachkräfte locken ohne anständigen Lohn? Am 5. Mai findet die nächste Tarifrunde statt. „Wir werden kämpfen“, kündigt Schäfers an. Oder wie Erhard Strobel sagt: „Eher zünden wir deren Hütten an, als dass wir einknicken!“ KONRAD LITSCHKO