US-Händler unterlaufen Kuba-Embargo

Lebensmittelexporte auf die Insel nehmen zu. Realität unterspült den offiziellen Wirtschaftsboykott

HAMBURG taz ■ US-Präsident George W. Bush gibt gern den harten Hund, wenn es um Kuba geht. Doch für US-Agrarfirmen ist die Insel mittlerweile ein lukrativer Absatzmarkt.

Hinter der Bodega in der Calle Infanta liegen alte Kartons mit dem Aufdruck „USDA For Export Only“. Der Lebensmittelladen im Zentrum Havannas, nur einige Häuserblocks vom Hotel Nacional an der Uferpromenade Havannas entfernt, verkauft Hühnerbeine, aber auch Reis aus den USA. In den staatlich subventionierten Lebensmittelbodegas, aber auch in den Devisensupermärkten finden sich immer mehr Lebensmittel aus den USA: Äpfel, aber auch Eier oder Butter werden angeboten. Allein in diesem Jahr sollen Lebensmittel im Wert von rund 400 Millionen US-Dollar aus den Vereinigten Staaten in Kuba eintreffen, schätzt Pedro Álvarez. Álvarez ist der Direktor von Alimport, dem staatlichen Monopolunternehmen für den Lebensmittelimport. Das hat seit Ende 2001 laut der Parteizeitung Granma Lebensmittel im Wert von 960 Millionen US-Dollar aus den USA bezogen. Verträge über weitere 700 Millionen US-Dollar hat Alimport unterzeichnet.

Der Manager im Dienste Fidel Castros lässt keine Chance aus, um Werbung für den Standort Kuba zu machen. Im März stellte Álvarez gemeinsam mit dem Chairman des Hafens von Houston, James T. Edmonds, eine Absichtserklärung für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten vor. Houston ist nicht nur der zweitgrößte Hafen der USA, über den bereits ein Gutteil der Lebensmittelexporte nach Kuba abgewickelt wird, sondern auch die Nummer eins im Kreuzfahrtbusiness der USA.

Vor allem Touristik-, Fracht- und Agrarunternehmen loten derzeit ihre Chancen auf dem kubanischen Markt aus. Schrittmacher sind Agrarverbände wie die Rice Foundation oder Lebensmittelmultis wie Cargill oder Archer Daniels Midland. Für rund eine Milliarde US-Dollar importiert Kuba jährlich Lebensmittel – ein interessanter Markt, den die US-Amerikaner seit der im Oktober 2000 erfolgten Legalisierung beackern. Mittlerweile gehört Kuba zu den 30 wichtigsten Agrarimporteuren der USA, wodurch die Marge für die europäischen Anbieter spürbar kleiner geworden ist. Niedrige Frachtkosten, aber auch Dumpingpreise von der US-Seite sind dafür genauso verantwortlich wie der Wille der Kubaner, mit den Amerikanern ins Geschäft zu kommen. Mit jeder Unterschrift unter einen Liefervertrag sinkt auch der Rückhalt für das antiquierte US-Handelsembargo. Kongressabgeordnete wie Senatoren votieren angesichts der Exportinteressen ihrer Bundesstaaten immer öfter für den Handel und gegen das Embargo. In Havannas Diplomatenkreisen wird Alimportmann Álvarez längst als Castros effektivste Waffe gegen das Embargo bezeichnet. KNUT HENKEL